Der 1. Mord - Roman
stimmte.
Den Rest der Fahrt plauderten wir über uns, über unsere Arbeit und unsere Hobbys. Eine ungewöhnliche Entwicklung bahnte sich an: Ich begann Cindy zu mögen.
Sie fragte mich, wie lange ich schon Polizistin sei, und ich erzählte ihr mehr, als ich vorgehabt hatte. Dass mein Vater Polizist gewesen war und dass er uns verlassen hatte, als ich dreizehn war. Dass ich an der Universität von San Francisco Soziologie studiert hatte. Dass ich beweisen wollte, dass ich mich in einer Männerwelt durchsetzen konnte. Dass viel von dem, was ich war und was ich tat, schlichtweg dazu diente, zu beweisen, dass ich dazu gehörte.
Sie revanchierte sich. Sie hatte auch Soziologie studiert, in
Michigan. Und noch ehe wir Marin erreichten, hatten wir noch einige verblüffende Gemeinsamkeiten entdeckt.
Ihr jüngster Bruder war an meinem Geburtstag geboren, am 5. Oktober. Sie machte auch Yoga, und die Frau, die vor Jahren meine Lehrerin gewesen war, unterrichtete sie jetzt in Corte Madera. Wir lasen beide gern Reiseberichte und Krimis - Sue Grafton, Patricia Cornwell, Elizabeth George. Wir liebten Gordons House of Fine Eats .
Cindys Vater war früh verstorben, vor siebzehn Jahren. Unheimlich, auch sie war damals dreizehn gewesen.
Er war an Leukämie gestorben. Dieser Zufall jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Diese Krankheit war eng mit der verwandt, die in meinem Körper ihr Unwesen trieb.
Ich dachte kurz daran, ihr mein Geheimnis zu verraten, ließ es aber. Das sollte Claire zuerst hören. Aber als wir uns der Golden Gate näherten, hatte ich das komische Gefühl, mit jemandem zu fahren, den mir das Schicksal gesandt hatte. Und ich war gern mit Cindy zusammen.
Kurz vor der Stadt rief ich Claire an. Unsere ursprüngliche Verabredung lag Stunden zurück, doch sie schien immer noch ganz wild darauf zu sein, sich mit mir zu treffen - und ich hatte ihr viel zu sagen. Wir verabredeten uns bei Susie’s, diesmal für ein frühes Abendessen statt des Brunchs. Als sie mich bedrängte, ihr etwas über die Ergebnisse dieses Tages zu sagen, meinte ich: »Das erzähle ich dir, wenn ich komme.«
Dann überraschte ich mich selbst zum zweiten Mal an diesem Tag.
Ich fragte: »Macht es dir was aus, wenn ich eine Bekannte mitbringe?«
33
Cindy und ich waren bereits bei unserer zweiten Margarita, als Claire hereinkam. Aus drei Metern Entfernung schien ihr Lächeln den ganzen Raum zu erhellen. Ich stand auf und umarmte sie.
»Ihr konntet wohl nicht auf Mama warten, wie?«, meinte sie und betrachtete unsere leeren Gläser.
»Es war ein langer Tag.« Ich seufzte. »Das ist Cindy.«
»Freut mich«, sagte Claire strahlend und schüttelte Cindy die Hand, obwohl eigentlich nur wir beide uns hatten treffen wollen. Claire war ein Mensch, der sich locker auf alles einzustellen vermochte.
»Lindsay hat mir alles über Sie erzählt«, sagte Cindy.
»Das meiste dürfte stimmen, es sei denn, sie hat behauptet, ich sei eine Spitzenpathologin in der Gerichtsmedizin«, meinte Claire grinsend.
»Eigentlich hat sie nur gesagt, Sie wären eine wirklich gute Freundin.«
Susie’s war ein helles, schickes Bistro mit ziemlich guter karibischer Küche. Sie spielten ein bisschen Reggae, ein bisschen Jazz. Hier konnte man sich entspannen, plaudern, brüllen und sogar eine Partie Billard spielen.
Unsere Stammbedienung Loretta kam zum Tisch. Wir überredeten Claire zu einer Margarita und einer zweiten Runde scharf gewürzter Hähnchenflügel.
»Erzähl mal von Reggies Abschlussfeier«, sagte ich.
Claire stibitzte einen Flügel aus unserer Schüssel und schüttelte wehmütig den Kopf. »Es ist schön zu wissen, dass sie nach all den Jahren in der Schule noch ein paar Worte mehr als ›tierisch‹ und ›cool‹ sagen können. Ausgesehen haben sie wie ein Haufen großmäuliger Möchtegernmusiker auf dem Weg zur Grammy-Verleihung, aber der Direktor hat geschworen, sie würden irgendwann wieder normal sein.«
»Wenn nicht, gibt’s ja immer noch die Polizeiakademie.« Ich grinste und fühlte mich ein wenig beschwipst.
Claire lächelte. »Ich bin froh, dass du wieder fröhlicher in die Welt schaust. Neulich hast du am Telefon geklungen, als ob Cheery mit seinen großen hässlichen Schuhen über deine Zehen trampelt.«
»Cheery?«, fragte Cindy. »Mein Chef. Wir nennen ihn Cheery, weil er uns mit seiner humanistischen Sorge für seine Untergebenen so inspiriert.«
»Oh, ich dachte, Sie meinten meinen Lokalredakteur«, sagte Cindy
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