Der 1. Mord - Roman
mein Gesicht im Spiegel an. Meine Wangen waren hochrot. Meine Haut brannte.
Das FBI! Es war mein Fall - und Claires, Cindys und Raleighs. Er bedeutete mir mehr als jeder andere Fall, den ich je bearbeitet hatte.
Unvermittelt wurden mir die Knie weich. Anämie? Der Arzt hatte gesagt, dass ich mit Schwindelanfällen rechnen müsse. Für halb sechs Uhr abends war meine vierte Transfusion in der Hämatologie anberaumt.
Eine überwältigende Leere zerrte an mir, dann wechselten Wut und Furcht. Gerade fing ich an, den Fall zu knacken. Ich brauchte keine Außenstehenden mit dunklen Anzügen und Krawattennadeln und ihre tollpatschigen alternativen Ermittlungen.
Ich warf noch einen Blick in den Spiegel. Meine Haut war - abgesehen von den roten Wangen - blass und leblos. Meine Augen waren wässrig und grau. Aus meinem ganzen Körper schien die Farbe gewichen zu sein.
Ich starrte mich so lange an, bis eine vertraute Stimme in mir laut wurde. Los, Lindsay. Reiß dich zusammen. Du wirst gewinnen - du gewinnst immer.
Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Die Schweißperlen am Hals versiegten.
Einmal kannst du dir so was leisten, ermahnte ich mich mit gequältem Lächeln. Aber mach das nicht noch mal.
Allmählich erwachte in meinen Augen ein vertrautes Glitzern zum Leben, und normale Farbe kehrte in meine Wangen zurück. Ich schaute auf die Uhr. Es war sechzehn Uhr zwanzig. Ich musste um fünf in der Klinik sein. Mit den Namen würde ich morgen anfangen. Ich frischte mein Make-up ein bisschen auf und ging zurück zu meinem Schreibtisch. Zu meinem Ärger kam Raleigh herüber.
»Jetzt können Sie deren Schnitzer managen«, fuhr ich ihn völlig überflüssigerweise an. Ich meinte das FBI.
»Ich hatte keine Ahnung davon«, sagte er freundlich. »Sobald ich es erfahren habe, habe ich es Ihnen gesagt.«
»Ja, ich weiß.« Ich nickte.
Raleigh setzte sich auf die Kante meines Schreibtischs und blickte mich forschend an. »Irgendetwas stimmt doch nicht?
Bitte sagen Sie es mir.« Woher wusste er das? Vielleicht war er ein viel besserer Detective, als ich ihm zugetraut hatte.
Einen Moment lang wollte ich mich ihm tatsächlich anvertrauen. O Gott, ich wollte, dass alles rauskam.
Dann tat Raleigh etwas völlig Unerwartetes. Er schenkte mir eines dieser vertrauensvollen Lächeln, bei dem ich einfach dahinschmolz. Er zog mich vom Stuhl hoch und nahm mich in die Arme.
Ich war so verblüfft, dass ich mich überhaupt nicht wehrte. In seinen Armen war ich wie zitternde Götterspeise. Es war eigentlich keine sexuelle Handlung, doch kein Ausbruch der Leidenschaft hatte mich je tiefer erschüttert.
Raleigh hielt mich fest, bis meine Unruhe sich langsam gelegt hatte. Direkt hier, mitten im Dienstzimmer. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber ich wollte mich nicht von ihm lösen - oder, dass er mich losließ.
»Dafür könnte ich Ihnen einen Vermerk in der Personalakte verpassen«, sagte ich schließlich dicht an seiner Schulter.
Er rührte sich nicht. »Brauchen Sie einen Stift?«
Langsam löste ich mich aus seinen Armen. Jeder Nerv in meinem Körper fühlte sich an, als hätte er soeben die Spannung eines Großalarms überstanden. »Danke«, sagte ich leise.
»Sie waren ja gar nicht mehr Sie selbst«, sagte er sanft. »Der Dienst ist fast zu Ende. Wollen wir bei einer Tasse Kaffee darüber reden? Nur Kaffee, Lindsay. Kein Rendezvous .«
Wieder schaute ich auf die Uhr. Es war schon fast fünf Uhr. Ich kam zu spät zu meinem Termin.
Ich schaute ihn an und hoffte, er möge in meinem Blick lesen: Fragen Sie mich ein andermal . Doch ich sagte nur: »Ich kann nicht. Muss weg.«
48
Die hübsche, freundlich lächelnde Rezeptionistin nickte dem nächsten Gast zu. »Willkommen im Lakefront Hilton, Sir.«
Phillip Campbell trat vor. Er las ihren Namen: Kaylin. Putzmunter, mit strahlenden Augen. Er lächelte zurück. Dann reichte er ihr seine Reservierung.
»Sind Sie zum ersten Mal bei uns, Mr. Campbell?«, fragte die Empfangsdame mit hoher Stimme.
Er lächelte und bejahte ihre Frage.
Als sie seine Reservierung eingab, verfolgte er ihre Bewegungen genau, dabei strich er sich durch die borstigen Barthaare. Er wollte, dass er ihr auffiel. Sie sollte sich an sein Gesicht erinnern und vielleicht an etwas, das er gesagt hatte. Falls eines Tages ein diensteifriger FBI-Agent mit seinem Foto oder einer Phantomzeichnung vorbeikam, sollte sich dieses quiekende Eichhörnchen genau und voll eiskalter Angst an diesen Moment erinnern. Er
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