Der 1. Mord - Roman
hin.
Die Videoaufzeichnungen hatten irgendetwas ergeben.
In einem spartanisch eingerichteten Konferenzraum saßen der Sicherheitschef des Museums, McBride und einige andere Angehörige der Polizei von Cleveland vor einem Großbildschirm auf einem Walnussschränkchen.
»Anfangs haben wir uns die Bänder mit den Familienmitgliedern einfach wahllos angesehen«, begann Sharp selbstgefällig. »Und haben bei jedem angehalten, der nicht bekannt aussah. Ihre Zeichnung hat geholfen, die Suche einzugrenzen.« Er schaute mich an.
Er deutete mit einem Leuchtzeiger auf den Bildschirm. »Die ersten Bilder, die sie sehen werden, zeigen den Haupteingang.«
Der Bildschirm wurde hell. Gewöhnliche Schwarzweiß-Überwachungsbänder. Es war so eigenartig, so unwirklich. Mehrere schrill gekleidete Gäste schienen gleichzeitig einzutreffen, viele ahmten mit ihrer Kleidung berühmte Rockmusiker nach. Einer war Elton John. Seine Begleiterin hatte sich das in unterschiedlichen Schattierungen gefärbte Haar toupiert wie Cyndi Lauper. Ich erkannte einen Chuck Berry, einen Michael Jackson, etliche Madonnas, Elvis und Elvis Costellos.
Im Schnellvorlauf schienen die Bilder wie einzeln bearbeitete Standaufnahmen vorbeizurucken. Ein älteres Paar traf ein, in normaler Abendkleidung. Hinter ihnen, fast von ihren Rücken verdeckt, kam ein Mann, der eindeutig kamerascheu war. Blitzschnell wandte er das Gesicht ab.
» Da! «, rief Sharp.
Ich sah ihn! Mein Herz schlug wie verrückt. Der gottverdammte Rotbart!
Es war ein grauenvolles, körniges Bild. Der Mann spürte die
Richtung der Kamera und eilte hastig vorbei. Vielleicht war er schon früher hier gewesen, um die Überwachungskameras auszuspionieren. Vielleicht war er aber auch nur gerissen genug, eine Direktaufnahme zu vermeiden. Was auch immer es war, er mischte sich unter die Menge und war verschwunden.
Wut ballte sich zu einem Knoten in meiner Brust. »Können Sie das zurückspulen und vergrößern?«, fragte ich Sharp. »Ich muss sein Gesicht sehen.«
Er senkte die Fernbedienung und vergrößerte den Bildausschnitt.
Ich stand auf. Ich starrte auf das teilweise verdeckte Gesicht des Mörders. Keine Augen, keine klaren Züge. Nur ein Profil im Schatten. Ein vorstehendes Kinn. Und die Umrisse eines Spitzbarts.
Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass das der Mörder war. Ich kannte seinen Namen nicht und konnte sein Gesicht nur undeutlich erkennen. Doch das verschwommene Gesicht, das Claire und ich zusammengestellt hatten, stand jetzt vor mir.
»Ist das das Beste, was Sie zu bieten haben?«, fragte Raleigh.
Ein Mitarbeiter des Museums antwortete. »Vielleicht könnte ich es technisch etwas aufbereiten, aber im Moment haben wir nur dieses Band.«
»Wir kümmern uns später um ihn«, sagte Sharp.
Er ließ das Band schnell weiterlaufen und hielt es bei einer Weitwinkelaufnahme der Haupthalle an. Dann vergrößerte er die Aufnahme, bis wir denselben Mann im Smoking am Rand der Menge sahen. Er beobachtete alles. Doch bei der Vergrößerung wurde das Bild körnig und verlor seine Schärfe.
»Er vermeidet es absichtlich, in die Kameras zu schauen«, flüsterte ich Raleigh zu. »Er weiß, wo sie sind.«
»Wir haben diese Bilder beiden Familien gezeigt«, sagte Sharp. »Niemand kannte ihn. Keiner konnte ihn identifizieren. Ich meine, es besteht durchaus die Chance, dass er nicht der Mörder ist, aber wenn ich an Ihre Zeichnung denke…«
»Er ist es, ganz sicher«, erklärte ich entschieden. Meine Augen brannten sich in das grobkörnige Bild hinein. Außerdem war ich mir sicher, dass wir Kathy Voskuhls mysteriösen Liebhaber vor uns hatten.
61
Hillary wusste Bescheid, dessen war ich mir fast sicher. Aber weshalb sie etwas Wichtiges zurückhielt, das den Tod ihrer Schwester betraf, konnte ich mir nicht vorstellen. Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen , hatte sie gesagt.
Ich wollte es noch einmal bei ihr versuchen. Ich erwischte sie telefonisch im Haus der Familie in Shaker Heights.
»Ich hatte Gelegenheit, mit Merrill Shortley zu sprechen«, teilte ich ihr mit. »Jetzt muss ich nur noch ein paar Einzelheiten klären.«
»Ist Ihnen klar, dass dies eine sehr schwere Zeit für meine Familie ist, Inspector?«, fragte Hillary. »Wir haben Ihnen alles gesagt, was wir wissen.«
Ich wollte sie nicht zu sehr unter Druck setzen. Sie hatte auf grauenvolle Weise ihre Schwester verloren. Ihr Elternhaus war voll von Trauer und Schmerz. Und sie war nicht verpflichtet, mit mir zu
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