Der 1. Mord - Roman
ihn fror. Die Pritsche in der Zelle war nicht mal gut genug für einen Mönch. Er trug immer noch die feuchten Sachen, die er getragen hatte, als sie ihn festgenommen hatten. Kalter, reueloser Schweiß brach auf seinen Handflächen aus.
Das würde diese kleine Bullenschlampe ihm teuer bezahlen! Auf die eine oder andere Weise würde er sie am Ende kriegen. Das war ein Versprechen.
Was unternahm eigentlich dieser beschissene Lackaffe von einem Anwalt? Wann würde Leff ihn hier rausholen?
Es war, als sei sämtliche Vernunft aus der Welt herausgesaugt worden.
Was zum Teufel ging hier vor?
So oder zumindest so ähnlich sollte Jenks sich fühlen, dachte Phillip Campbell. Das waren die Worte, die der Dreckskerl seiner Ansicht nach im Stillen sagen sollte.
Campbell saß vor dem Spiegel. Zeit, dass du verschwindest. Dein Werk ist endlich vollbracht. Das letzte Kapitel ist geschrieben.
Er tauchte ein Tuch in eine Schüssel mit warmem Wasser. Es war das allerletzte Mal, dass er die Rolle spielen musste.
Na, wie fühlst du dich, Nicholas?
Er zog die Nadeln heraus, die sein Haar hielten, und schüttelte seine Locken aus.
Wie fühlt es sich an, ein Gefangener zu sein, ein Opfer? Die gleiche Erniedrigung und Schande zu erleben, die du anderen zufügst?
Langsam wischte er sich das dunkle Make-up von den Augen, tupfte mit dem Tuch nach, bis der glatte helle Teint wieder zu sehen war.
Wie fühlt es sich an, hilflos und allein zu sein? In einem dunklen Loch eingesperrt zu sein? Sich verraten zu fühlen?
Phillip Campbell zupfte ein rötliches Barthaar nach dem anderen von seinem Kinn, bis ein neues Gesicht erschien.
Nicht imstande zu sein, im Spiegel den Menschen zu erkennen, der du einmal warst?
Er rieb sich das Gesicht, bis es vollständig sauber und glatt war. Dann knöpfte er das Hemd - Nicholas’ Hemd - auf, und darunter erschien ein gut geformter weiblicher Körper: Brüste, lange, schöne Beine, muskulöse Arme.
Mit strahlenden Augen saß sie da, wie neu geboren.
Das ist einfach super.
Was für ein Gefühl ist es, Nicholas, so total im Arsch zu sein? Endlich hat das Blatt sich gewendet.
Sie vermochte den Gedanken nicht zu unterdrücken, dass es passend und komisch war, dass er letztendlich durch seinen eigenen abartigen Verstand in die Falle gegangen war. Es war mehr als komisch. Es war absolut brillant.
Wer lacht jetzt, Nick?
Vierter Teil
Die ganze Wahrheit
96
Am Abend nach der Anklageerhebung gegen Jenks hatte Chief Mercer durch einen seiner reichen Freunde die VIP-Loge im PacBell-Stadion bekommen. Er lud ein paar von uns zum Spiel der Giants ein, darunter Raleigh, mich und Cheery. Es war ein warmer Sommerabend. Sie spielten gegen die Cardinals. Mein Vater wäre entzückt gewesen.
Eigentlich wollte ich nicht gehen, weil ich nicht als der Cop zur Schau gestellt werden wollte, der Jenks gefasst hatte, aber Mercer bestand darauf. Außerdem spielte Mark McGwire mit, daher zog ich eine Windjacke an und fuhr mit.
Den ganzen Abend lang warfen Chris und ich uns heimliche Blicke zu. In der Loge herrschte eine besondere Energie, ein glühender Ring nur um ihn und mich.
Das Spiel war Hintergrundgeräusch. Im dritten Inning schlug Mighty Mac einen Ball gegen Gardner, der außer Sicht beinahe in der Bucht gelandet wäre. Das Stadion jubelte wie verrückt, sogar für einen der Cardinals. Im vierten erzielte Barry Bonds den Ausgleich mit einem eigenen Schlag.
Chris und ich waren nicht imstande, die Augen voneinander zu lassen. Wir hatten die Beine auf denselben Stuhl gelegt, wie Schulkinder, und ab und zu berührten sich unsere Waden. Mein Gott, das war toller als das Baseballspiel.
Schließlich zwinkerte er mir zu.
»Willst du was trinken?«, fragte er.
Er ging zur Kühlbox mit den Getränken, die oberhalb der Sitze stand, und ich folgte ihm. Die anderen schauten sich nicht um. Sobald wir außer Sicht waren, legte er die Hände auf meine Schenkel und küsste mich. Mir war, als ginge ich in Flammen auf. »Willst du noch bleiben?«
»Ich hab noch Bier«, scherzte ich.
Seine Hände streiften die Seiten meiner Brüste. Ich begann zu zittern. Sanfte Hände. Mein Atem wurde schneller. Auf meinem Nacken erschienen feine Schweißtröpfchen.
Wieder küsste Chris mich. Er zog mich an sich, und ich spürte den Herzschlag zwischen uns. Ich wusste nicht, ob es seiner oder meiner war.
»Ich kann nicht warten«, sagte er.
»Okay, hauen wir ab.«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich meinte, ich kann nicht warten.
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