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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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gelassen. Wiedersehen, Herta.«
    »Lieber nicht!«, rief sie mir nach.
    Im Treppenhaus holte ich Danner ein. Ich biss in den Muffin, den ich Herta gemopst hatte. Ein Vorteil von übergroßen Wollpullis ist, dass man alles Mögliche in ihren Ärmeln verschwinden lassen kann.
    »Du spielst mit deinem Leben, wenn du einen hungrigen Bullen beklaust!«, warnte mich Danner, schnappte mir den Rest des Kuchens aus der Hand und stopfte ihn sich in den Mund. »Bei so was verstehen die keinen Spaß.«
    »Eines Tages wird sie mir dankbar sein, dass diese zweihundert Kalorien in deinem Magen und nicht auf ihren Hüften gelandet sind!«
    Einmal mehr hatte ich ihn zum Grinsen gebracht.
    »Du warst also mal ’n Bulle!«, stellte ich beiläufig fest, während Danner die Schrottschüssel aus dem Halteverbot lenkte.
    »Kann mich nicht erinnern, so was gesagt zu haben«, stellte er sich dumm, obwohl er genau wusste, dass es keinen Sinn hatte.
    »Aber Lenny.«
    Danner schwieg.
    »Gib’s auf!«, versuchte ich, ihn festzunageln. » Dir kann man den Job nicht mehr mit zwei Abmahnungen unterm Arsch wegkündigen ist eindeutig! Wenn du kein Bulle warst, serviere ich dir dein Bier heute Abend nackig!«
    Danner zog eine Augenbraue hoch, ohne den Blick von der Straße zu wenden: »Ich war nur der Hausmeister. Die Stammgäste werden begeistert sein.«
    »Werden sie nicht, weil es nämlich nicht stimmt. Ich frage Molle, wenn du es nicht sofort zugibst! Aus dem kriege ich es schon raus.«
    »Nicht, wenn ich ihm erzähle, was ihm entgeht.«
    »Wenn er das hört, kriegst du zur Strafe kein Abendbrot!«
    »Na schön: Ich war ’n Bulle! Zufrieden?«
    »Nein.«
    »Ist lange her. Staschek und ich haben zusammen angefangen, Polizeischule, Sitte, dann Mordkommission. Ich bin ausgestiegen, er nicht.«
    »Warum bist du ausgestiegen?«
    »Weil’s ’n beschissener Job ist. Du reißt dir den Arsch auf, um die bösen Jungs zu fangen, und kaum hast du den Knast hinter ihnen abgeschlossen, spazieren sie mit ihrem Anwalt wieder heraus! Und dich verklagen sie wegen Amtsmissbrauch oder irgendner anderen Scheiße.«
    »Also lieber als Privatschnüffler untreue Ehemänner beim Seitensprung bespitzeln?«
    Danner warf mir einen drohenden Blick zu.
    Als wir zu Hause ankamen, war es schon Zeit, dass ich mich bei Molle meldete. Schließlich hatte ich ja noch einen Job.

15.
    Am nächsten Morgen stand ich früh auf.
    Es gab einiges zu tun, bevor mein erster Schultag beginnen konnte. Denn ob man von seinen Klassenkameraden behandelt wird, als fehlten einem nach einem Lepraschub ein paar Finger, hängt allein davon ab, welche Jeans man trägt und ob man genug Make-up aufgelegt hat. Und von der Haarfarbe natürlich.
    Lila kam einem Lepraschub erfahrungsgemäß verdammt nahe. Deshalb wusch ich meine Haare an diesem Morgen vierzehn Mal, bis die lila Tönung verschwunden war und mein echtes Mittelblond zum Vorschein kam. Ich bürstete und fönte und wirbelte hinterher alles mit ein bisschen Gel wieder durcheinander, denn zu brav wollte ich auch nicht wirken.
    Ich schminkte mich mehr als sonst, aber nicht auffällig. Die Augen dunkel, die Lippen mit farblosem Gloss. An dem Abend, an dem das Foto vor der Disco entstanden war, hatten K. Bode, F. Schubert und Lena Staschek zwar mehr aufgelegt, aber ich vermutete, dass sie so nicht täglich in der Schule erschienen.
    Dann prüfte ich meine Auswahl an Kleidung. Mit der unvermeidbaren Modefarbe Schweinchenrosa konnte ich nicht dienen, aber mein schwarzer Rolli, den ich für depressive Tage hatte, war keine schlechte Wahl. Er war enger und in der Taille kürzer als meine anderen Pullis, nur die Ärmel reichten mir wie gewohnt bis über die Fingerspitzen. Aufgemotzt mit meinem roten Strickschal wirkte er nicht zu langweilig. Dazu die Jeans, die nur einen roten Handabdruck auf der Gesäßtasche abbekommen hatte. Und Turnschuhe.
    Und – nicht zu vergessen – das rote Freundschaftsband! Das Ding hatte mich einige Mühe gekostet, denn ich hatte noch nie eines geknotet. Ich wickelte es um mein linkes Handgelenk und versteckte es in dem zu langen Ärmel meines Pullis.
    So wirkte ich hoffentlich nicht stinklangweilig, aber auch nicht mehr komplett durchgeknallt.
    Danner verzog keine Miene, als ich mich neben ihn an den Frühstückstisch setzte, aber Molle guckte mich an, als wäre ich auf einem Nilpferd in die Kneipe geritten: »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Arbeitskleidung«, erklärte ich knapp und griff nach dem Nutella.
    Als ich

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