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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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bitten, wäre möglicherweise nicht gut angekommen.
    »Hier.« Staschek warf Danner einen dünnen Ordner zu. »Die Autopsie.«
    »Wird auch Zeit«, meckerte Danner, als wäre es sein gutes Recht, in Polizeiunterlagen zu schnüffeln.
    »Sei froh, dass ich das Ding überhaupt gekriegt habe. Diesmal hängt wirklich Horsts Kopf dran. Zieh dir das hier mal rein!« Staschek hielt Danner einen weiteren Zettel hin.
    Danner überflog den Text und warf das Blatt dann auf den Tisch.
    Ich angelte mir das Papier. Es war der Ausdruck einer E-Mail.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    aus aktuellem Anlass möchte ich Ihnen noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass es untersagt ist, Informationen über nicht abgeschlossene Fälle an Dritte weiterzugeben. Das gilt auch für KollegInnen, die nicht mit dem Fall betraut sind oder ausdrücklich von den Ermittlungen ausgeschlossen wurden. Sollte sich jemand nicht an diese Regelung halten, wird eine schriftliche Abmahnung erfolgen. Mit freundlichen Grüßen
    Klara Peters, Direktionsleitung Kriminalität
    »Sieht der Schlampe ähnlich«, fand Danner.
    »Eine ihrer letzten Amtshandlungen als Direktionsleiterin. Ist schon beinahe eine Ehre, dass sie sich extra die Mühe macht, nur damit wir nicht in dem Fall rumschnüffeln können!«, meinte Staschek.
    Danner blätterte in dem Autopsiebericht.
    Ich setzte mich auf den Schreibtisch, um auch hineinsehen zu können: »Wer ist Klara Peters?«
    »Lennys Boss«, klärte mich Danner auf. »Die Leiterin der gesamten Kripo. Noch zwei Beförderungen und sie ist Polizeipräsidentin.«
    »Eine davon steht demnächst an.« Staschek fuhr sich grimmig durchs Haar.
    »Wenn sie dich dann in die Besenkammer versetzt, kannst du bei mir einsteigen«, brummte Danner, ohne aufzusehen. Wie immer verzog er keine Miene, sodass es fast wie sein Ernst klang.
    Staschek schnitt eine Grimasse.
    Mein Blick fiel auf ein Foto, das in der Mappe lag.
    Danner hätte beinahe weitergeblättert, dann schien er sich an mich zu erinnern und schob mir die dünne Akte hin.
    Herta stellte für jeden von uns eine Tasse Kaffee auf den Schreibtisch. Ich sah mir das Foto an, während Danner nach seinem Becher griff.
    Das Bild war deutlich, der Fotograf hatte gewusst, was zu sehen sein sollte: Schneewittchens weißes Gesicht, ihre Augen und die Todesangst darin. Das lange, dunkle Haar, das sich um ihren Kopf herum auf den Asphalt ergoss und sich mit dem Blut vermischte.
    In der Mappe lagen weitere Fotos. Eines, auf dem der merkwürdige Winkel zu sehen war, in dem ihr rechtes Bein lag. Eines, das das Knie genauer zeigte, den bleichen Knochen, der sich am Schienbein durch die blutige Haut gebohrt hatte wie ein zersplitterter Ast. Dann ihr linker Schuh, schwarz mit kleinem Absatz, der rechte Schuh fehlte. Die zerrissene dunkle Jeans, das enge rosafarbene, vom Blut durchtränkte Shirt. Das rosa-rote Band an ihrem linken Handgelenk, der Beweis dafür, dass sie bis vor ein paar Minuten noch die beste Freundin von irgendjemandem gewesen war.
    Staschek wandte sich ab.
    Danner sah mir weiter über die Schulter.
    Ich überflog den beiliegenden Bericht.
    An der Liste der festgestellten Verletzungen blieb mein Blick hängen:
    Schädelbasisfraktur, Fraktur C1 / C2 / C3, Fraktur der Rippen 4–8 rechts, Fraktur Th6 / Th7 / Th8, Fraktur L5, Fraktur os sacrum, Beckenringfraktur os pubis bds., Hüftluxation rechts, offene Tibiafraktur rechts
    Todesursache: Frakturen im Halswirbelbereich C1–C3
    Blutuntersuchung: Zum Todeszeitpunkt stand die Tote unter dem Einfluss beruhigend wirkender, trizyklischer Antidepressiva (nachgewiesene Wirkstoffe: Amitriptylin, Imipramin, z. B. enthalten in den Medikamenten Tofranil, Saroten). Aufgrund der hohen Dosis ist eine Abhängigkeit nicht auszuschließen.
    »Antidepressiva?« Danner sah sich fragend nach Staschek um.
    Staschek zuckte die Schultern: »Kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe nichts gemerkt. Nie.«
    Außerdem war sie keine Jungfrau mehr, auch das stand in der Autopsie. Die medizinische Diagnose dafür hieß: Hymen nicht intakt.
    Glücklicherweise war ich im Besitz des großen Latinums und hatte den einen und anderen Krankenhausaufenthalt hinter mir, sonst hätte ich den Bericht nicht verstanden.
    »Hatte sie einen Freund?«, fragte ich Staschek.
    »Wär schön, wenn du das herausfinden würdest.«
    Außerdem lag noch ein Klassenfoto in der Mappe und ein Foto von vier Mädchen, die zusammen einen Pokal in Form eines vergoldeten John Travoltas in die Höhe

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