Der 13. Brief
hielten.
Elena Staschek, Eva Ahrend, Franziska Schubert, Karoline Bode, las ich. Darunter die Adressen der Mädels. Und ein gelber Klebezettel, auf dem stand: Wir sind quitt, Horst. Offensichtlich hatte Horst Staschek doch mehr als nur den Autopsiebericht zugeschmuggelt.
»Welche ist Lena?«
Danner zeigte auf das Mädchen ganz links.
Lena war kleiner als Eva Ahrend, die neben ihr stand. Und zu Lenas Glück hatte sie Haar und Augen von ihrem Vater geerbt. Sie trug ein weißes Top, das ihr Nabelpiercing nicht ganz verdeckte, einen Strickbolero und enge Dreivierteljeans zu schwarzen Stiefeln.
»Lena besitzt das gleiche Foto«, murmelte Staschek. »Es ist an Franzis sechzehntem Geburtstag entstanden, vor drei Monaten. Endlich konnten sie alle zusammen in diese Disco. Karo hat den Twistwettbewerb gewonnen und ich hab alle vier nach Hause gebracht …« Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht.
Danner schlug die Mappe zu und wollte sie in der Innentasche seines Parkas verschwinden lassen.
»Moment! Das Ding bleibt hier! Und wisch deine Fingerabdrücke ab!«, befahl Staschek sofort.
»An deiner Stelle würde ich mir Sorgen um deine eigenen Abdrücke machen.« Danner winkte mit der E-Mail. »Sei froh, wenn ich das Ding mitnehme, dann kannst du behaupten, du weißt nicht, wie ich daran gekommen bin!«
»Vergiss es! Ich schreddere das sofort!« Staschek wollte Danner die Mappe aus der Hand schnappen, doch der zog sie schnell weg.
»Bist du bescheuert? Hast du ’n Arsch in der Hose oder einen platt gesessenen Beamtenhintern?«
»Ich will nur nicht, dass man deine Wohnung durchsucht und vertrauliche Unterlagen einer laufenden Polizeiermittlung findet!«
Ich überlegte, ob Staschek vielleicht unter Verfolgungswahn litt. Wer sollte denn bitte Danners Wohnung durchsuchen? Die zukünftige Polizeipräsidentin würde wohl kaum eine Hausdurchsuchung anordnen, um zu prüfen, ob der Datenschutz eingehalten wurde. Es ging um einen Teenagerselbstmord, nicht um einen Terroranschlag!
»Reg dich ab«, brummte Danner gereizt. »Ich scanne die Fotos ein und tippe den Rest ab, wie immer.«
Staschek zögerte einen Augenblick. »Aber morgen bringst du das zurück und dann wird es geschreddert, kapiert?«
Danner verdrehte die Augen: »Das ist keine Stasiakte, Lenny.«
»Du kannst leicht Sprüche machen! Du hast keine Frau und drei Kinder und dir kann man den Job auch nicht mehr mit zwei Abmahnungen unterm Arsch wegkündigen!«
Ich horchte auf.
Danner streifte mich mit einem Blick, während er die Mappe nun tatsächlich in die Innentasche seines Parkas steckte: »Bevor sie meine Tür eintreten, halte ich ein Streichholz drunter.«
Er verließ den Raum.
Ich sprang vom Schreibtisch.
»Was hat Lena für Hobbys, Lenny?«, erkundigte ich mich. Staschek sah aus, als hätte ich ihn aus einem Albtraum gerissen: »Wie? Ähm – sie geht auch schwimmen. Aber nur zum Spaß. Sie ist nicht so ehrgeizig wie Eva.«
»Na, ein Glück. Und sonst?«
»Was sonst?«
»Was interessiert sie noch? Welche Fächer mag sie in der Schule? Welche nicht? Auf welche Schauspieler steht sie? Und auf welche Musik?«
Er sah mich an, als hätte ich mich nach Lenas Körbchengröße erkundigt. »Puh, in Deutsch ist sie nicht schlecht. Sie liest jedenfalls viel und schreibt gern mal einen Brief. Und ich glaube, sie ziehen sich ständig diesen Indianerfilm rein – und Raumschiff Enterprise!«
Raumschiff Enterprise? Lena und ihre Freundinnen sahen nicht unbedingt aus, als würden Poster von Mister Spock in ihren Zimmern hängen.
Ich musste einen Moment nachdenken, um darauf zu kommen. »Du meinst nicht zufällig den Schuh des Manitu und (T)Raumschiff Surprise? «
»Doch, ja. Genau die.«
Ich musterte ihn belustigt.
»Noch was?«
Ich schüttelte den Kopf: »Ich glaube, nach Lenas Hymen brauche ich dich nicht zu fragen.«
Sein verständnisloser Blick sagte mir, dass es noch eine Weile dauern würde, bis er meine Worte begriff.
»Mach’s gut, Lenny.«
Danner war bereits verschwunden, als ich in das Großraumbüro der Mordkommission hinaustrat. Ich konnte nicht widerstehen, blieb an Hertas Schreibtisch stehen und stützte beide Hände neben ihrem Computer auf.
»Willst du mich nicht lieber durchsuchen, bevor ich gehe? Sonst klaue ich dir womöglich noch einen Blaubeermuffin.«
Sie warf mir einen giftigen Blick zu.
Ich nahm die Tüte mit den kleinen Kuchen von ihrem Schreibtisch: »Lohnt sich nicht«, stellte ich fest. »Hast ja kaum was übrig
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