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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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vorturnen können.
    Wie dem auch sei, das Essbarste, was meine Mutter mir je zur Schule mitgegeben hatte, war ein Molkeriegel gewesen. Und sie hatte auch noch ernsthaft Dank dafür erwartet, weil sie auf meine Figur achtete.
    »Liegt da ’n toter Frosch drauf oder warum starrst du das Ding so an?« Karoline Bode riss mich aus meinen Gedanken.
    Ich schrak zusammen.
    Sie musterte interessiert erst Molles Brot, dann mich.
    »Ich hab nur nachgedacht.«
    »Wir müssen in den Pausen die Klassenräume verlassen«, erklärte sie und folgte Lena, die gerade zur Tür hinausging.
    Zu dem knallgrünen Mini trug Karoline einen hochgekämmten, wasserstoffblonden Pferdeschwanz, schwarze Overknees und ein T-Shirt, auf dem ein erhobener Mittelfinger abgebildet war.
    Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, die Rolle der Durchgeknallten war in Lenas Clique schon vergeben.
    Ich stopfte Molles Stulle zurück in meine Tasche und folgte den anderen auf den Schulhof.
    Regennasse Herbstluft schlug mir entgegen. Nach der stickigen Wärme im Klassenzimmer und Jendricks beißendem Schweißgeruch genoss ich die Kälte, die meine Lungen füllte.
    Lena und Karo verschwanden im Gedränge. Ich wollte mich nicht sofort wie eine Klette an sie kleben, deshalb sah ich mich erst mal um.
    Die Schule bestand aus vier hohen, grau-weißen Betonbauten, die im Erdgeschoss durch gläserne Flure verbunden waren. Im quadratischen Innenhof wuchsen drei riesige Linden. Wahrscheinlich waren die Bäume zuerst hier gewesen, die Gebäude hatte man dann später drum herum gebaut. Unter den Linden standen die älteren Schüler in Grüppchen zusammen, während die Fünftklässler zwischen den Größeren hindurchrannten.
    »Hallo. Lila, nicht wahr?«, sprach mich jemand von der Seite an.
    Eigentlich brauchte ich mich nicht umzusehen, der unverkennbare Sportshirtgeruch verriet mir, wer neben mir stand. Höflicherweise wandte ich aber doch den Kopf und sah zu Jendrick, dem Wasserallergiker, hoch. Er trug eine gammelige Bomberjacke und Springerstiefel.
    »Hm?«, fragte ich.
    »Ähm – soll ich dir vielleicht erklären, wer alle sind?«
    »Mach dir keine Mühe, ich komm schon zurecht!«, winkte ich ab.
    »Okay«, murrte er, verschwand aber nicht. »Woher kommst du?«
    »Hannover.«
    Schweigen.
    »Und – ähm, wie isses da so?«
    »Okay.« Ich sah ihn erwartungsvoll an.
    Er schwitzte.
    Ich brauchte unbedingt einen anderen Sitzplatz.
    »Und – äh – hast du da einen Freund? Ich meine, in Hannover?«
    O. Mein. Gott.
    »Ja«, sagte ich, »ich habe da einen Freund.«
    »Ach so.«
    Ich entdeckte Lena, Karoline und Franziska ein paar Meter entfernt unter den Bäumen.
    »Du, ich muss. Bis dann«, beendete ich das Gespräch, weil Stinke-Jendrick das anscheinend noch immer nicht für nötig hielt.
    Ich ließ ihn stehen und ging direkt auf Karoline zu.
    »Hi!« Ich nickte kurz in Lenas und Franziskas Richtung.
    »Haste was dagegen, wenn ich mich zu dir nach hinten setze?«
    Sie legte den Kopf schief und musterte mich. »Kein Thema. Pass bloß auf, dass du den Penner wieder loswirst!« Sie deutete mit dem Kopf auf Müffel-Jendrick.
    »Der ist auf der Suche«, nickte ich.
    »Und ’ne Abfuhr checkt der nicht. Der klemmt sich trotzdem an dich dran. Echt pervers.«
    Aha.
    Verdankte er so viel Abneigung allein Hautproblemen und Körpergeruch? Oder hatte er noch unentdeckte Vorzüge?
    Ich beschloss, mir diese Fragen für später aufzuheben. Der Platz neben Karoline war zu wertvoll, um zu riskieren, dass sie mich für eine Tratschtante hielt und gleich wieder abservierte.
    »Werd’s mir merken«, antwortete ich also nur.
    Karoline hielt mir die Hand hin: »Ich bin übrigens Karo.«
    »Hab ich schon mitgekriegt.«
    »Und das sind Lena und Franzi.«
    Da war ich also, wo ich hingewollt hatte.
    Lenas Gesicht war hübsch und schmal, und als sie lächelte, blickte ich direkt in Stascheks schöne Kastanienaugen. Wie ich vermutet hatte, waren Lena und Franzi beide nicht übertrieben geschminkt und bevorzugten zumindest im Winter Parka und Mütze statt bauchfrei und Mini.
    »Ich bin Lila.«
    »Das haben wir bei deiner Ansprache gehört.«
    Ich schnitt eine Grimasse.
    »Also los, wir sind neugierig. Erzähl mal was von dir!«
    Ohne irgendeine Berührungsangst hakte sich Lena bei mir ein.
    Ich konnte nicht verhindern, dass ich zusammenzuckte, denn ich hatte all das Umarmen und Küsschengeben nach jeder Unterrichtsstunde nie mitgemacht.
    »Was magst du außer Volleyball, Skaten und Schwimmen? Das

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