Der 13. Brief
den Couchtisch. Dann zog ich Lenas Foto aus der Tasche und hielt es ihm hin.
Erstaunt nahm er die Füße vom Tisch. »Häh?«
Das war ja auch mein erster Gedanke gewesen.
Aber im Gegensatz zu mir dachte er sofort weiter: »Hast du das Lenny gezeigt?«
»Hast du ihn vor Schreck tot umfallen sehen?«, verneinte ich.
»Okay.« Danner rieb sich die Stirn. »Das muss ich ihm schonend beibringen. Und am besten erst, wenn ich eine Ahnung habe, was das mit unserem Fall zu tun hat. Vielleicht haben Lena und Eva die Bilder gemeinsam machen lassen? Oder noch besser für Lennys Gesundheitszustand: Vielleicht haben sie sich gegenseitig fotografiert!?«
Er sah mich an. » Du bist doch die Expertin! Machen Sechzehnjährige so was, wenn sie sich langweilen?«
Ich zuckte die Schultern: »Keine Ahnung. Ich hätte mich jedenfalls nicht von meiner besten Freundin ablichten lassen, sondern von dem zugekifften Kunststudenten, mit dem ich schlafe. Und sicher hätte ich keinen Badeanzug getragen. Außerdem hast du gesagt, die Fotos hat ein Profi gemacht.«
»Schade.«
Danner stand auf und ließ das Foto in dem Umschlag im Schreibtisch verschwinden, in dem sich auch die Aufnahme von Eva befand.
Ich ergriff die Gelegenheit, rollte mich in meine Decke ein und schnappte mir die Fernbedienung. Danner setzte sich wieder neben mich und ich lehnte meinen schweren Kopf gegen die zerschlissene Lehne.
Das Cola-Bier-Gemisch ließ das Sofa unter mir leicht schaukeln, dabei hatte ich das meiste davon auf den Boden gekippt. Ich war Alkohol nicht mehr gewohnt. Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl, mit dem sich der Raum um mich herum drehte.
Nur einen Augenblick.
Dann war ich eingeschlafen.
Ich träumte von Danner, der mir die Stiefel auszog, mich unter Beinen und Schultern griff und aufs Sofa legte. Viel zu deutlich konnte ich spüren, wie er mir eine vom Haargel verklebte Strähne aus dem Gesicht strich.
Bei Gelegenheit musste ich mir mal Gedanken über diesen Traum machen …
26.
Am nächsten Morgen weckte mich ein an Selbstüberschätzung leidender Spatz. Er hockte auf der Fensterbank in der strahlenden Herbstsonne und schmetterte einen Weckruf, als hielte er sich für einen Hahn.
Es war bereits nach zehn!
Meine Haare standen durch die Verbindung von Festiger und Chlor wie Stroh von meinem Kopf ab und die Decke hatte sich um meine Beine gewickelt. Mühsam strampelte ich mich frei und registrierte, dass ich meine Stiefel nicht mehr trug.
Danner war weg.
Um richtig wach zu werden, duschte ich heiß und entfernte die Make-up-Reste von meinem Gesicht. Dann schlüpfte ich in meine älteste Jeans und meinen sehr schlabberigen Rolli mit den aufgenähten lila Blumen.
Barfuß schlich ich die Treppe hinunter zu Molle, um ein Frühstück zu schnorren.
Der Dicke saß am Tisch, auf dem noch Danners bekrümeltes Gedeck stand, und blätterte in der BILD-Zeitung. Ohne aufzusehen, schob er mir die Kaffeekanne und einen noch sauberen Becher hin.
Ich klemmte meine nackten Füße unter mein Hinterteil und schnappte mir ein Brötchen und Danners benutzten Teller: »Wo ist er?«
»Arbeiten«, brummelte Molle. »Will Lenny vor einem Herzstillstand bewahren oder so.«
Aha. Danner kümmerte sich um Lenas Foto.
»Und was machst du heute Morgen?«, fragte ich, während ich das Brötchen fingerdick mit Nutella bestrich.
»Einkaufen. Und du?«
»Einkaufen.«
Er sah flüchtig von einem Artikel über Michael Jacksons Nase auf: »Was für ein Zufall. Hast du Geld?«
Ich winkte mit den zweihundert Euro, die Danner mir gegeben hatte: »Ich brauche ein Kleid für den Polizeiball.«
Molle pfiff durch die Zähne: »Erzähl mir nicht, er geht hin?!«
Ich grinste.
»Das glaub ich dir erst, wenn er im Anzug die Treppe runterkommt! Eher zahlt der seine Miete! Lenny glaubt doch, dass die Schlampe jetzt mit dem Polizeipräsidenten schläft.«
Das hatte ich auch schon gehört. »Ist das eigentlich ihr Nachname, steht das so an ihrem Büro? Klara die Schlampe, Leiterin der Kriminalpolizei?«
Molle nickte ziemlich ernsthaft.
»Ich kann’s kaum erwarten, sie kennenzulernen!«, stellte ich fest. »Sie muss ja wirklich zum Kotzen sein. Warum ist er nicht bei ihr geblieben, wenn sie so gut zu ihm gepasst hat?«
»Oh, sie hat ihn um Längen übertroffen. Das kann er nicht vertragen.«
Das ließ mich stutzen. »Kennst du sie etwa? Wie lange ist es her, dass er was mit ihr hatte?«
»Ach«, schüttelte Molle den Kopf, »die Sache ist schon ewig her und ich
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