Der 13. Brief
Mädels auf die Rückbank rutschen. Er fragte mich, wo ich hinmusste.
Ich sagte nur »Richtung Stahlhausen«, weil zumindest Lena vielleicht Danners Adresse kannte.
»Dann mach ich am besten erst die Runde und lasse dich als Letzte raus. In Ordnung?«, schlug Staschek vor.
Lena klopfte mir von hinten auf die Schulter: »Du kannst ruhig mit ihm mitfahren, er ist ’n Bulle.«
»Ach, tatsächlich?«, staunte ich grinsend.
Staschek biss sich auf die Unterlippe.
Zuerst ließ er Franzi aussteigen, dann setzte er Karo vor einem klotzartigen Wohnsilo ab und zum Schluss hielt er vor einem modernen Mietshaus.
»Kommst du morgen zum Mittag, Schatz?«, fragte er Lena beim Aussteigen.
Lena nickte gähnend und schlug die Tür zu.
Staschek fuhr wieder los. »Und?«
Wortlos warf ich ihm einen bösen Blick zu.
»Hallo? Lenny an Lila! Wie war’s? Hast du was rausgefunden?«
»Du meinst, außer der Tatsache, dass du geschieden bist, weil du deine Frau betrogen hast? Dass Lena nicht bei dir wohnt und deshalb schon seit Jahren sauer auf dich ist? Und dass du mir kein Wort davon gesagt hast, du Arsch?«
»Oh.«
»Wäre es so schwer gewesen, euer kleines Problem ein bisschen genauer zu erklären? ›Sie ist zurzeit schwierig‹ war dann doch etwas knapp!«, giftete ich.
»Das hätte ich machen sollen«, gab er zerknirscht zu. »Sorry.« Er sah mich mit dem gleichen Dackelblick an wie Lena vorhin.
Ich seufzte. »Morgen wird Lena etwas aufgeschlossener zu dir sein, schätze ich.«
»Wie meinst du das?« Staschek trat vor Molles Kneipe auf die Bremse. »Was hast du ihr erzählt?«
»Lass dich überraschen.«
Staschek folgte mir in die Kneipe.
Molle quatschte mit dem letzten Stammgast und Danner saß mit Bier und Zeitung am Tisch an der Theke. Anscheinend hatte er auf uns gewartet.
Ich setzte mich neben ihn, Staschek gegenüber.
Staschek zog zwei gefaltete DIN-A4-Zettel aus der Manteltasche und warf sie Danner hin: »Auftrag erledigt, Boss.«
Ach ja, Staschek hatte ja mit Jendrick reden sollen.
Danner faltete die Zettel auseinander und warf einen Blick drauf: »Und?«
Molle stellte Staschek ein Bier hin und mir einen Tee mit Zitrone.
»Der Junge tickt nicht richtig, wenn du mich fragst. Oder der ist auf Drogen, keine Ahnung. Jedenfalls hat er keine Miene verzogen, als ich vor der Tür stand. Mein Polizeiausweis hat ihn total kaltgelassen oder er hat überhaupt nicht begriffen, was los war. Erst dachte ich, der hat gewusst, dass ich komme, aber ich glaube, der ist einfach pathologisch lahmarschig. Ich musste ihm wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen.«
Das konnte ich mir vorstellen.
»Und seine Bude ist echt gruselig!«, fuhr Staschek fort. »Er wohnt über der Garage seiner Eltern, und wenn du mich fragst, haben seine Alten seit Jahren keinen Fuß in die Butze gesetzt. Der Müll liegt meterhoch und der ist noch nicht achtzehn, das ist ein Fall fürs Jugendamt. Aber jetzt der Hammer: Neben dem Bett steht ein Foto von Eva!«
Bingo!
»Er hat es auch gar nicht abgestritten, sagt, er wäre schon lange in Eva verliebt gewesen und sie auch in ihn, sie habe ihn nur zappeln lassen. Er hat kein Alibi, behauptet, er wäre an dem Nachmittag mit allen anderen zusammen aus der Klasse gegangen, gleich nach Hause gefahren – Fahrrad – und hätte sich auf dem Weg bei McDonald’s noch ein paar Chicken McNuggets besorgt.«
Danner faltete die Zettel, auf die Staschek seinen Bericht geschrieben hatte, nachdenklich zusammen.
»Und was jetzt?«, fragte ich ungeduldig.
Staschek zuckte die Schultern: »Meine Kollegen werden ihn nicht überprüfen. Die glauben an Suizid. Und sie haben recht, man kann niemanden festnehmen, nur weil er unglücklich verliebt war.«
»Er hat sie bespannert!«, korrigierte ich bissig.
»Wir checken sein Alibi«, beschloss Danner. »Besser gesagt, du machst das, Lila. Morgen Abend fragst du Lena, Karo und Franzi, ob sie sich daran erinnern können, dass Jendrick vor Evas Tod die Klasse verlassen hat. Und ich hol mir bei Gelegenheit mal wieder ’n Cheeseburger.«
Eine halbe Stunde später war auch der letzte Gast gegangen. Ich half Molle noch, die Kneipe aufzuräumen, während sich Staschek verabschiedete und Danner nach oben verschwand.
Als ich bald darauf die Wohnungstür hinter mir schloss, saß Danner schon in Shorts und T-Shirt auf dem Sofa und zappte durchs Nachtprogramm. Ich ließ mich neben ihm auf die Polster plumpsen und legte meine hochhackigen Stiefel neben seine behaarten Beine auf
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