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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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nachzuäffen.
    Ich hörte Danner mit Iefgenias Mutter sprechen.
    Mein Blick fiel in ein enges Zimmer gegenüber der Küche. Ein Stockbett stand an der Wand, ein alter Schrank gegenüber. Es gab ein paar Kuscheltiere und ein paar Poster. Auf dem oberen Bett blätterte ein Mädchen in einer Modezeitung, die wohl eher ihrer großen Schwester gehörte. Das Mädchen war höchstens sechs, hatte vorstehende Schneidezähne und zwei dicke, blonde Zöpfe.
    Sie hatte mich entdeckt und musterte mich misstrauisch.
    »Hallo!«, sagte ich. »Ich heiße Lila und du?«
    »Maria.«
    »Ich wollte eigentlich deine Schwester besuchen«, erklärte ich und trat an das Bett. »Aber die ist beim Schwimmen. Sie geht oft schwimmen, oder?«
    Maria nickte: »Sie wird damit berühmt. Dann kriegen wir viel Geld und eine Wohnung mit großen Zimmern.«
    »Das wird sicher schön.«
    Maria sprach ein deutlich besseres Deutsch als ihre Eltern.
    Ich warf einen Blick auf die Zeitung. Heidi Klum warb für Douglas. »Die Frauen auf den Bildern sind sehr schön, nicht wahr? Ist deine Schwester auch so hübsch?«
    Die Kleine wiegte nachdenklich den Kopf hin und her: »Nicht so wie Heidi, eher wie Kate Moss.«
    »Du kennst dich aber gut aus«, lachte ich. »Willst du selber mal Model werden?«
    Sie runzelte beinahe böse die Stirn: »Wenn ich dir ein Geheimnis sage, dann darfst du es nicht verraten!«
    Ich hob zwei Finger: »Ich schwöre!«
    »Ieffi ist schon ein echtes Model.«
    »Wirklich?«
    »Sie hat ganz viele tolle Fotos und bald kriegt sie einen Job und verdient viel Geld.« Ich runzelte die Stirn.
    »Ich schwöre«, versicherte Maria eifrig. »Guck mal!«
    Sie sprang vom Bett, lief zu dem schmalen Fenster und stemmte die marmorne Fensterbank in die Höhe. Schnell griff ich zu und half ihr. Die Kleine zog eine dünne Plastikmappe darunter hervor.
    Die Mappe war voller Fotos. Sie zeigten das magere Mädchen vom Schwimmtraining. Hastig blätterte ich die Aufnahmen durch. Ein paar Fotos in Jeans und T-Shirt, Badeanzug und – oha! – Spitzendessous!
    »Mamuschka und Papa dürfen nichts wissen«, verriet mir Maria flüsternd, als ihr Vater und Danner im Flur laut wurden.
    »Kann ich mir denken.«
    Schnell schoben wir die Mappe wieder unter die Fensterbank, dabei ließ ich ein Bild, das Iefgenia im schwarzen Bikini zeigte, im Ärmel verschwinden.
    »Danke schön, Maria! Ich muss jetzt gehen.«
    Sie winkte mir nach.
    Danner war schon an der Tür. Der Russe warf mir einen wütenden Blick zu, als er mich aus Marias Zimmer kommen sah.
    Ich folgte Danner hinaus.
    Die Schrottschüssel parkte vor dem schäbigen Wohnkomplex in zweiter Reihe.
    »Du hast einen gefälschten Polizeiausweis?«, erkundigte ich mich beim Einsteigen.
    Danner schüttelte den Kopf. »Seit die Schlampe mich filzen lässt, wenn sie mich erwischt, trage ich so was nur ungern mit mir herum.«
    »Und was war das dann gerade?«
    Grinsend hielt er mir die Plastikkarte hin. Auf dem Passbild lächelte mich Staschek an.
    »Samstags braucht er ihn nicht, schätze ich.«
    Danner wollte den Wagen starten.
    Ich hielt ihm das Foto von Iefgenia unter die Nase.
    »Die Sache betrifft also nicht nur Eva und Lena«, schlussfolgerte ich sachlich. »Iefgenia hat eine ganze Mappe voll solcher Fotos. Sie will anscheinend wirklich als Model Karriere machen.«
    Danner trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Und irgendjemand scheint ihr dabei zu helfen.«

27.
    Inzwischen war es später Nachmittag. Um sieben war ich mit Lena, Karo und Franzi bei Staschek verabredet. Zum Schuh des Manitu.
    Ich duschte, tauschte meinen extravaganten Strickrolli gegen einen schlichteren, weißen Pullover, den ich mir heute Morgen bei C&A geleistet hatte.
    Danner fuhr mich hin. Allerdings hielt er ein Stück von Stascheks gepflegter Doppelhaushälfte entfernt.
    »Von hier aus gehst du besser zu Fuß«, fand er. »Dir müsste schon eine gute Erklärung einfallen, wenn Lena dich aus dem Auto deines Sportlehrers steigen sieht.«
    »Nichts leichter als das«, angelte ich mal wieder ein bisschen.
    »Ach, wirklich?«
    »Ich würde behaupten, du hättest ein Verhältnis mit meiner Mutter.«
    »Hau bloß ab!«, schnauzte Danner. »Und um zwölf bist du zu Hause, sonst setzt es was!«
    »Schon gut«, lachte ich. »Ich würde sagen, du hättest ein Verhältnis mit mir, zufrieden?«
    Ohne abzuwarten, bis ich die Tür zugeschlagen hatte, gab er Gas.
    Es war Viertel nach sieben, als ich klingelte.
    Erstaunt sah ich auf, als mir der Junge aus der

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