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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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Disco öffnete. »Ach ja«, erinnerte ich mich, »du wohnst ja auch hier.«
    »Die Weiber sind schon alle im Keller.« Er deutete auf eine Treppe, die nach unten führte. »Deine Jacke kannst du da aufhängen.«
    Unter den überfüllten Garderobenhaken standen klobige Stiefel, die nur Karo gehören konnten.
    »Wer ist da, Marc?« Eine Frau steckte den Kopf in den Flur.
    Sie war größer als ich, Mitte vierzig. Ein beneidenswert dicker, schwarzer Zopf reichte ihr bis an die runden Hüften. Ihr Gesicht wirkte ebenfalls rundlich, doch die hohen Knochen der geröteten Wangen hätten ihr einen klassisch schönen Zug verleihen können, hätte sie nicht auch noch das T-Shirt stramm in ihre ohnehin schon viel zu praktischen Hausfrauenjeans gestopft.
    Sie musterte mich neugierig.
    »Hallo, ich bin Lila!« Ich hängte meine Cordjacke an die Garderobe, rückte meinen ungewohnt kurzen Pulli zurecht und hielt der Frau die Hand hin.
    Sie wischte sich die Finger an der Hose ab.
    Auf Anhieb war sie mir sympathisch.
    Stascheks Gesicht erschien oberhalb ihrer Schulter, als sie mir die Hand schüttelte.
    »Das ist Lila, Schatz. Lenas neue Freundin, ich hab sie gestern nach Hause gefahren.«
    »Hallo, Herr Staschek.« Ich reichte ihm ebenfalls die Hand.
    »Marc, hilf mir bei den Dips«, kommandierte Stascheks Frau ihren Sohn ab.
    »Nur wenn ich die Hälfte abkriege.«
    »Vergiss es!«
    »Dann krieg ich dein Auto, Lenny.«
    »Vergiss es!«
    Genervt trottete der Junge seiner Mutter hinterher in die Küche.
    Ich blieb allein mit Staschek im Flur zurück. Ehe ich mich versah, legte er mir einen Arm um die Schultern und küsste mich auf die Wange: »Was immer du mit Lena angestellt hast, es hat gewirkt! Sie ist beängstigend nett zu mir. Danke.«
    »Kostet nicht mal extra. Familientherapie ist in meinem Gehalt mit drin.« Ich hielt ihm seinen Polizeiausweis hin.
    Sofort ließ er mich los und riss mir die Karte aus der Hand. »Irgendwann sperre ich ihn dafür mal ein!«, motzte er und ließ die Karte in seiner Hosentasche verschwinden. »Treppe runter, zweite Tür links.«
    Als ich den geräumigen Partykeller betrat, hatten Karo, Lena und Franzi es sich bereits auf zwei durchgesessenen, grünen Sofas bequem gemacht. Die Wände leuchteten in warmem Gelb, die alten, mannshohen Boxen einer Musikanlage standen in den Ecken des Raumes verteilt und an der Wand hing ein Flachbildfernseher. Auf einem IKEA- Tischchen aus hellem Pressholz standen zwei Packungen Toffifee.
    »Nette Bude!« Ich drehte mich einmal um mich selbst.
    »Hm, hier kann man ganz gut sitzen«, winkte Lena ab.
    Stascheks Frau kam herein und stellte ein Tablett mit in Streifen geschnittenen Möhren, Gurken und Paprika in allen Farben auf den Tisch. Dazu Zaziki und einen Zwiebeldip.
    »Heißt sie jetzt eigentlich auch Staschek wie du?«, flüsterte ich Lena zu, als wir wieder unter uns waren. »Ich wusste eben gar nicht, wie ich sie ansprechen sollte.«
    »Hat sie dich etwa im Flur abgefangen?«, brauste Lena auf. »Ich hab ihr schon hundert Mal gesagt, dass meine Freundinnen keine zweiköpfigen Ungeheuer sind, die man anstarrt, wenn man sie mal zu Gesicht bekommt!«
    Es dauerte einen Moment, bis sie sich an meine Frage erinnerte: »Sie heißt Seifert-Staschek. Verena Seifert-Staschek. Marc und Christoph heißen ja noch Seifert.«
    Karo reichte mir Prosecco in einem Plastikbecher und Lena schaltete den Fernseher ein.
    Als das Pferd im Film kurz darauf das erste Mal kotzte, war mein Becher bereits leer. Ich spürte die Wirkung des Alkohols, doch ich konnte das Zeug ja schlecht auf dem Teppich auskippen. Ich musste aufpassen.
    Als Karo mir nachschenkte, ließ ich den Prosecco erst mal stehen. Doch weil Karo jedes Mal, bevor sie selbst trank, ihren Becher gegen meinen tickte, hatte ich, als Abahatschi und Ranger in den Sonnenuntergang ritten, genau wie die anderen eine gute Dreiviertelflasche intus. Und möglicherweise war ich diejenige, die das Zeug am wenigsten vertrug.
    »Und?«, fragte mich Franzi, als sie die nächste Flasche öffnete und Lena den Fernseher ausschaltete. »Was war bei dir heute los?«
    Ich nahm ein Stück Paprika und dippte es in den Quark: »Nix Besonderes. War mit meiner Mutter shoppen.« Eine Lüge der bewährten Dicht-an-der-Wahrheit-Methode, denn Molle war zweifellos mütterlicher, als meine eigene Mutter es je werden würde.
    »Kann uns Marc nicht noch ein paar Dips bringen?«, schlug Karo grinsend vor. »Er ist ja echt niedlich, solange er mich nicht gerade

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