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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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Lena hatte mich in einem Augenblick erwischt, in dem ich nicht damit gerechnet hatte.
    »Ich arbeite für ihn«, murmelte ich undeutlich.
    Aber Lena hatte mich trotzdem verstanden und taumelte zurück.
    Ich konnte zusehen, wie unsere Freundschaft Risse bekam, wie Stücke abbrachen, zu Boden fielen und auf Dittmers grünem Teppich zerplatzten.
    »Du arbeitest für ihn? Das heißt, du arbeitest für meinen Vater!« Ihre Kastanienaugen sprühten Funken vor Wut. »Na toll! Hast du ihm die ganze Zeit einen sauber getippten Bericht abgeliefert?«
    Ich sah auf meine Turnschuhe hinunter.
    »Hat er sich denn gefreut zu erfahren, wann ich das erste Mal Sex hatte?« Eine Sekunde hielt sie inne. »Und die Sache mit deiner toten Freundin?«
    Erschrocken sah ich sie an, aber sie hatte bereits begriffen. Ich schloss die Augen, um ihr Gesicht nicht sehen zu müssen.
    »Du verlogene Schlampe!«, schrie sie erbost. »Wag bloß nie wieder, mit mir zu sprechen!«
    Sie wirbelte herum und stürmte hinaus.
    Die plötzliche Stille im Raum hallte unerträglich laut in meinen Ohren wider.
    Danner schloss die Wohnungstür hinter Lena. Dann zog er eine gehäkelte Decke vom Couchtisch, goss Mineralwasser aus einer Flasche darüber und wischte sich das Blut aus dem Gesicht.
    Ich griff mir an die Stirn.
    Das war er gewesen, der Moment, vor dem ich mich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Ich hatte gehofft, dass das durch irgendein Wunder nicht passieren würde. Denn ich hatte mich daran gewöhnt, so zu tun, als ob ich Freundinnen hätte. Es hatte mir gefallen, mich völlig normal zu fühlen. Verdammt, ich hatte Lena mehr über mich erzählt als irgendeinem anderen Menschen!
    Bis auf Danner vielleicht.
    Ich ließ mich aufs Sofa sinken.
    Danner wandte sich Dittmer zu.
    »Fangen wir noch mal von vorn an«, sagte er zu dem Lehrer, während er sich die Häkeldecke an die Schläfe presste. »Du hast Schülerinnen fotografiert, richtig?«
    Dittmer nickte, ohne Danner anzusehen.
    »Wie lange schon?«
    Der Lehrer schwieg.
    Danner zog sein Handy und rief Staschek an.
    »In einer halben Stunde sitzt du in U-Haft«, stellte er fest, nachdem er wieder aufgelegt hatte. »Morgen weiß die ganze Schule von deinem Hobby. Und wenn du nicht sofort dein Maul aufmachst, zeige ich dich wegen versuchten Mordes an.«
    Dittmers graues Gesicht wurde noch blasser. Er wollte etwas sagen, doch sein Atem reichte nicht aus. Er hustete.
    Endlich krächzte er: »Seit ich die Schülerzeitung mache.«
    »Geht es ein bisschen genauer?«
    »Acht Jahre? Seit Claudia Schiffer sind alle ganz wild auf diesen Modelkram.«
    Acht Jahre?
    »Und Eva Ahrend?«
    Dittmer flüsterte wieder: »Sie wollte weg. Eigentlich wollte sie als Schwimmerin nach München, aber ihre Leistungen ließen in letzter Zeit nach. Da hat sie plötzlich zugehört, als ich sagte, sie hätte auch als Model gute Chancen.«
    »Du hast sie im Keller der Schule getroffen?«
    Ich fragte mich, wie Danner so ruhig bleiben konnte.
    Dittmer nickte.
    »Allein?«
    Wieder Nicken.
    »Du hast die Tür zugemacht, damit euch niemand stören konnte, nicht wahr?«
    Dittmer starrte auf den Teppichboden.
    »Und weil die Gelegenheit günstig war, hast du sie vergewaltigt!«
    Plötzlich wurde Dittmers Blick wach. »Das ist nicht wahr!«, protestierte er heftig. Er versuchte, auf die Knie zu kommen, was mit auf den Rücken gebundenen Händen nicht einfach war. »Ich hab ihr nie was getan, keinem der Mädchen!«
    »Du hast sie betatscht!«
    »Sie haben sich nie beschwert.«
    Ich schnappte nach Luft.
    Mit einem einzigen Griff hatte Danner Dittmer am Kragen hochgerissen und schleuderte ihn gegen die Wand. »Wag nicht zu behaupten, dass es ihnen gefallen hätte!«
    Durch den groben Stoß versagte dem Lehrer erneut die Atmung, er sackte röchelnd zu Boden.
    Danner ließ ihn liegen und ging hinüber zu dem schweren Schreibtisch unter dem Fenster. Mit einem Taschentuch um die Hand gewickelt, öffnete er die Schubladen und sah die Unterlagen in den Fächern durch.
    Schwerfällig erhob auch ich mich endlich vom Sofa.
    Danner schaltete den PC ein.
    Ich trat an das große Regal, in dem die Aktenordner akkurat in einer Reihe standen. Alle waren säuberlich beschriftet. Dittmers Handschrift wirkte irritierend leserlich, beinahe druckschriftartig. Überschriften hatte er mit Lineal zweimal unterstrichen.
    Französischklausuren.
    Analysen Barocker Malerei.
    Abiturthemen Deutsch.
    Abiturthemen Kunst.
    Vokabeltests und Grammatikarbeiten.
    Daneben Bücher und

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