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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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schob. Wir vertreiben die Pestilenz aus unserer Stadt ... Gott hat über ihre Strafe entschieden, riefen die Männer und schwangen dabei ihre Knüppel. Ich wünschte mich weit fort, und ich hätte entkommen können. Ich dachte daran wegzulaufen, bisher hatte niemand nach dem Inhalt meines Beutels gefragt – noch nicht einmal Satanael ... das Buch war wichtiger als Hannah, aber ich konnte mich trotzdem nicht dazu überwinden, sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Meine Bitten um Hilfe, die ich den am Straßenrand gaffenden und starrenden Menschen zurief, wurden jedoch überhört oder verlacht. Manche wandten sich auch einfach ab und taten, als hätten sie nichts gehört. „Lauft ihr guten Leute ... erzählt einem von denen, die in Coellen etwas wirken können, dass hier gerade großes Unrecht geschieht!“
    Ein Mann spie vor mir aus, bevor er sich abwandte. „Rufe die Engel an, wenn du Hilfe brauchst – aber in letzter Zeit scheinen sie schlecht zu hören!“
    Boshaftes Lachen oder stummes Nicken folgte seinen Worten, während ich weiter gezogen wurde. Wenn er gewusst hätte, dass auch Engel fallen können! Damals wandte man sich an die Engel, wenn man Hilfe benötigte – und dass die Engel die Pestilenz nicht vertreiben konnten oder wollten, hatte sie zum Ziel manch böser Schmährede werden lassen. Niemand half Hannah oder mir an diesem Tag, und dann war der mittlerweile tobende Mob in der Judengasse angekommen. Vierhundert Männer stießen das Tor auf und stürmten das Viertel. Sie überraschten die meisten Juden in ihren Betten, da es früh am Morgen war. Einige öffneten in ihren Schlafroben die Türen, um zu sehen, was vor sich ging.
    Zuerst noch unschlüssig, was er tun sollte, vertrieb Helel schnell die Bedenken des Lynchmobs. Er hackte Köpfe ab, brach dem Nächsten mit einem einzigen Tritt in den Rücken das Rückgrat, drückte den Kopf eines anderen in den Schlamm der Straße, bis sein Opfer darin erstickte.
    Als sie Helel sahen, fassten sich auch die Männer ein Herz – sie schnitten mit ihren Sensen Gliedmaßen ab und schlitzten mit ihren Dolchen Bäuche auf. Es entstand ein ohrenbetäubender Lärm, lautes Weinen, Schreien und Flehen erfüllte das Judenviertel. Doch sie hatten kein Erbarmen. Auch nicht mit Frauen und Kindern – mit Knüppeln erschlugen sie Säuglinge und Kleinkinder, schlitzten Schwangeren die Bäuche auf, um das Ungeborene aus dem schützenden Leib der Mutter zu reißen. Knaben schlugen sie so oft mit dem Kopf gegen die Häuserwände, bis ihre Schädel barsten und die graue Masse ihres Gehirns daraus hervorquoll.
    Es war ein grausames Abschlachten, ein einziges Gemetzel. Satanael stürmte mit einigen der Männer in die Synagoge und forderte jeden auf, sich zu nehmen, was er begehrte. Die heiligen Thora-Rollen warf er in ein großes Feuer, das die Männer vor der Synagoge entzündet hatten.
    Nachdem sie einige Gebäude in Brand gesetzt hatten, ging der plündernde Mob dazu über, die Frauen ins Feuer zu stoßen und wenn eine der Unglücklichen versuchte, sich daraus zu befreien, stachen sie mit ihren Spießen nach ihr, und trieben sie zurück in die Flammen.
    Die Juden erkannten, dass sie keine Chance gegen die Gewalt des Hasses hatten. Sie widersetzten sich nicht länger, noch flehten sie um Gnade. Stattdessen segneten die Väter ihre Kinder und küssten ihre Frauen zum Abschied, bevor sie geschlachtet wurden.
    Ich war wie erstarrt vom Anblick des Grauens. Ich sah den alten Savelad mit eingeschlagenem Schädel neben der Synagoge liegen. Ich musste den Tod fast aller, die ich gekannt hatte, mit ansehen. Den Rabbi – ihn trieben sie aus seinem Haus, zusammen mit Grethe. Die beiden mussten zusehen, wie ihre Kinder ins Feuer gestoßen wurden und dort unter Schmerzensschreien verbrannten. Grethe weinte nicht, doch sie starrte mit aufgerissenen Augen in die Flammen. Dann schlug Helel ihr beinahe gnädig den Kopf ab. Ihren Mann, den Rabbi, ließ Satanael einen Spießrutenlauf wagen und sagte ihm, dass er leben dürfte, wenn er es bis zum Tor des Viertels schaffte. Bereits nach wenigen Schritten brach der Rabbi unter Knüppelschlägen zusammen, und die mordlüsterne Meute fiel über ihn her, bis nichts mehr von ihm übrig war, als ein blutig geschlagenes Stück Fleisch.
    Esther – meine Magd. Ich weiß nicht, wie oft sie vergewaltigt wurde, bevor sie ihr die Kehle aufschnitten! Ich hörte ihre Schreie aus dem Haus heraus an mein Ohr dringen, welches meines gewesen war.
    Zwischen

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