Der 18 Schluessel
einzig logischen Gedanken, einen Ausweis zu verlangen oder in der Hauptverwaltung der Erzdiözese anzurufen und nachzufragen, ob sie wirklich jemanden geschickt hatten. Doch das Bohren in noch frischen Wunden schien wahre Wunder zu wirken.
Schließlich gab die Sekretärin nach und seufzte. Sie bedeutete der Jüngeren mit einem Nicken, den Raum zu verlassen. Diese gehorchte und verschwand sichtlich erleichtert hinter der Bürotür.
„Hören Sie! Ich verliere meinen Job, wenn das herauskommt. Ich gehöre nicht zu denen, aber ich habe hier eine feste Stelle, und die will ich nicht verlieren. Wir haben bald Weihnachten, ich habe Kinder zu versorgen.“ Sie kritzelte hastig eine Adresse auf einen Zettel und gab ihn dann Eliana. „Ich weiß nicht viel darüber. Ab und zu schnappt man ein paar Namen auf, nimmt Anrufe entgegen, hört Dinge, die man eigentlich nicht hören sollte.“
„Was für Dinge?“, forderte Eliana mit kalter Stimme zu wissen.
„Dinge eben ... das ist die Adresse einer Universität in Rom, die der Orden leitet. Sie bieten Kurse für Bioethik und Exorzismus an. Einmal habe ich dieses vierfarbige Wappen auf einem Briefkopf gesehen, der aus der Universität stammte. Ich habe den Brief aus Versehen geöffnet, er war vertraulich. Gelesen habe ich ihn natürlich nicht ... er war außerdem auf Italienisch verfasst. Aber unterschrieben war er mit Ordine Apocalisse. Das habe ich mir gemerkt, weil es so ungewöhnlich klingt. Ich habe Pater Pascal gefragt, was dieses Wappen zu bedeuten hätte – eben weil es mir aufgefallen war. Er sagte, es bedeutete nichts, und ich solle es vergessen ... und wenn mich jemand danach fragt, solle ich sagen, ich hätte es nie gesehen.“ Sie blickte Eliana zweifelnd an. „Aber wenn es nichts zu bedeuten hat, warum soll ich es dann verleugnen?“
Da hatte sie recht, wie Eliana fand. Die Sekretärin tippte mit dem Finger auf Elianas Bericht. „Vor ein paar Tagen bekamen wir vom Erzbischof den Auftrag, eine Blutprobe analysieren zu lassen. Was dabei herausgekommen ist, haben Sie ja selbst gesehen. Dann – gestern - habe ich einen Anruf aus Rom für Pater Pascal entgegen genommen. Er wurde überraschend zu einem Seminar abberufen – in der Universität Lux Aeternum . Ich musste alle seine Termine bis auf Weiteres absagen. Mehr weiß ich nicht!“ Die gutmütig flehenden Augen der Sekretärin erinnerten Eliana an einen unglücklichen Welpen. Eliana befand, dass es an der Zeit war, einen netteren Tonfall anzuschlagen. Immerhin – diese Frau hatte ihr wider Erwarten wirklich geholfen. Sie hatte eine Spur, auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, wie sie dieser Spur folgen sollte. „Wir werden das weiterverfolgen. Uns ist nicht daran gelegen, dass diese Dinge an die Öffentlichkeit kommen. Das gilt auch für Ihre Aussage. Und natürlich verlassen wir uns auch auf Ihr Schweigen.“ Eliana konnte sehen, wie der Frau ein Stein vom Herzen fiel. Sie stand auf und brachte Eliana zur Tür. Dann blieb sie stehen, überlegte, und schien sich ein Herz zu nehmen. „Ich weiß nicht, ob es wichtig ist. Aber haben Sie sich schon Gedanken über die Farben im Wappen gemacht?“
Eliana sah sie an. „Wir sind dabei, es prüfen zu lassen.“ Sie wollte nicht durch ihre Blauäugigkeit auffallen.
Mit einem Mal schien die Sekretärin in ihrem Element zu sein. „Vielleicht ist es nur ein Zufall, aber es sind die Farben der apokalyptischen Reiter. Zuerst kommt das weiße Pferd, dann das rote, das schwarze ... und das fahle Pferd. Und Ordine Apocalisse bedeutet Orden der Apokalypse.“
Eliana fiel die handschriftliche Notiz von Lukas ein - der Auszug aus der Johannesoffenbarung. Aber es war nicht die Stelle mit den vier apokalyptischen Reitern, die er ihr hinterlassen hatte. Trotzdem ... diese Frau war Gold wert. „Haben Sie Pater Pascal auch danach gefragt?“
Erschrocken schüttelte die Sekretärin den Kopf. „Um Himmels willen, nein! Er hat mir unmissverständlich klargemacht, dass ich das Wappen vergessen soll. Ich möchte meinen Job behalten, Frau ... „ Sie blickte Eliana fragend an.
„ ... Josten, Gabriele Josten.“ Eliana zuckte nicht einmal mit der Wimper, während sie den falschen Namen herunterleierte.
„Ich verlasse mich auf ihre Diskretion, was meine Angaben angeht, Frau Josten!“
„Der Erzdiözese liegt ebenso viel an Diskretion.“ Eliana gab ihr die Hand und verabschiedete sich.
Das war fast schon zu einfach gewesen. Eliana rannte die Stufen im Treppenhaus
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