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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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sie den Tisch freimachen musste, wenn sie nicht noch etwas bestellte. Eliana orderte ein Frühstück, obwohl sie keinen Hunger hatte. Aber damit wäre sie die penetrante Bedienung für eine Weile los. Am Nebentisch saßen zwei alte Frauen bei einem Stück Torte – um zehn Uhr am Morgen. Kein Wunder, dass die Arztpraxen überlaufen waren. Als die Bedienung endlich zufrieden war und sie in Ruhe ließ, entfaltete Eliana die im Internetcafe ausgedruckte Seite mit dem Wappen der Legionen Gottes. Es war ähnlich, keine Frage. Die Form war gleich, ein Wappen mit einem Schwert in der Mitte. Aber die mehrköpfige Schlange fehlte, die Engelsschrift und die Farben stimmten auch nicht überein. Das Wappen der Legionen Gottes hatte einen weißen Hintergrund. Die Tätowierung am Bein des Priesters hatte andere Farben gezeigt - Rot, Weiß, Schwarz und das letzte Viertel war überhaupt nicht farbig tätowiert gewesen. Eliana hatte dieses Wappen nirgendwo im Internet gefunden, und sie schloss daraus, dass es sich entweder um eine eigenständige Gruppe handelte, die das Wappen des Ordens verändert hatte, oder dass der Priester irgendetwas mit dem Orden der Legionen Gottes zu tun hatte. Oder das Wappen hatte überhaupt keine Bedeutung, und sein Träger war ein Spinner – doch das glaubte Eliana nicht. Sie musste sich Klarheit verschaffen, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie. Sie hatte nur einen Anhaltspunkt – die Verwaltung des Ordens in Deutz.
    Zuerst musste sie mit der S-Bahn auf die andere Rheinseite fahren. Es war riskant einfach dort aufzutauchen und Fragen zu stellen, und es war nicht besonders klug durchdacht – aber es war ihre einzige Möglichkeit. Eliana konnte auf keinerlei Hilfe mehr hoffen. Danyal war verschleppt worden, Lukas war tot! Die Erinnerung an seine grauenvoll verstümmelte Leiche trieb Eliana die Tränen in die Augen. Jetzt, da sie zur Ruhe kam, wurde ihr die Tragweite dessen, was geschehen war, erst bewusst. Der Antichrist persönlich trachtete ihr nach dem Leben – bis vor wenigen Tagen hatte sie noch nicht einmal daran geglaubt, dass es den Antichristen überhaupt gab. Sie hatte auch nicht an Engel geglaubt, geschweige denn daran, dass sie mit einem im Bett landen würde. Die Erinnerung tat weh, auch wenn Eliana es nicht gerne zugab. War sie etwa dabei, sich in einen Engel zu verlieben? Sie musste ihn finden ... nicht für Satanael ... für sich. Sie hatte nicht nur sich selbst, sondern auch Lukas damals aufgegeben ... war vor der Verantwortung und ihrer Schuld geflohen - nun war Lukas tot. Eliana spürte, dass sie nur gegen die Agonie ihrer eigenen Seele ankämpfen konnte, wenn sie sich dieses eine Mal ihrem Leben stellte, anstatt es zu verleugnen. Sie musste Danyal finden, was immer dazu auch nötig wäre.
    Sie bezahlte das nicht angerührte Frühstück und machte sich auf Richtung Bahnhof. Immer wieder hielt sie dabei Ausschau nach Polizei oder Krankenwagen. Doch alles war ruhig. Sie stieß mit einem großen dunkel gekleideten Mann zusammen, weil sie mehr auf ihre Umgebung achtete, als darauf, wohin sie ging, und entschuldigte sich. Er nickte ihr kurz zu.
    Am Automaten zog Eliana ein Ticket und stieg in die Linie Elf, die nach Deutz fuhr. Die Verwaltung der Legionen Gottes lag in der Nähe der Kölnarena.
    Während sie aus dem Fenster sah, die zwei gotischen Türme des Doms hinter sich ließ und stattdessen das Panorama des Rheins in Sichtweite kam, fragte Eliana sich immer wieder, was der Orden von Danyal wollte. Sicherlich hatte man nicht vor, ihn auf ein Podest zu stellen und ein Trishagion für ihn zu singen.
    Das letzte Stück ab Haltestelle Kölnarena ging sie zu Fuß. Es war ein eisiger Frosttag, aber Eliana tat die winterliche Kälte gut. Sie stach in ihre Haut und erinnerte sie daran, dass sie noch lebte in diesem Albtraum, zu dem ihr Leben geworden war. Um sie herum hatte sich die Welt nicht verändert, auch wenn es ihr schwerfiel, das zu begreifen. Schaufenster waren mit künstlichem Schnee und Weihnachtsbäumen dekoriert, in den Straßen hatte die Stadtverwaltung wie jedes Jahr Lichterketten und Weihnachtsschmuck installiert. Eine Mutter schleppte schwer an einer Tüte mit Geschenken für die Familie. Sie stellte sich das Gesicht ihrer eigenen Mutter vor, während man ihr erzählte, dass ihre Tochter ihren Ex-Freund ermordet hatte. Der Gedanke war unerträglich, und Eliana zwang sich, ihre Konzentration auf Danyal zu richten. Leider war auch das unerträglich. Alles war unerträglich!

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