Der 18 Schluessel
nicht in die Vorstellung, die sie von einem spirituell interessierten Geheimbundmitglied hatte. Er wirkte eher wie diese amerikanischen Hollywoodelitesoldaten, die jederzeit eine MP5 unter ihrer Jacke hervorziehen konnten und damit herumballern. Und meistens benahm er sich auch so. Chris schob Eliana in den Aufzug. „Natürlich ist uns viel an ihm gelegen. Er ist ein Engel.“
Aus irgendeinem Grund gefiel Eliana sein Ton nicht. „Er ist nicht nur ein Engel, er hat einen Namen ... er hat eine Persönlichkeit.“
Sie stiegen im zweiten Stock aus dem Lift. Ihre Zimmer lagen nebeneinander. Eliana schob ihre Schlüsselkarte in das elektronische Schloss.
„Für dich ist er eine Persönlichkeit, du kennst ihn. Für uns ist er erst mal, was er ist. Aber vielleicht erzählst du mir etwas mehr über ihn?“
Sie nickte. Chris war ein blödes Arschloch, aber er half ihr ... ohne ihn, das musste sie zugeben, würde sie wahrscheinlich längst in Deutschland für den Mord an Lukas in Untersuchungshaft sitzen und verhört werden. Chris war ihre letzte Rettung ... und er war Danyals letzte Rettung. „Sorry Chris, ich bin etwas gereizt.“
Er lächelte. „Für alles, was dir in den letzten Tagen passiert ist, hältst du dich ausgesprochen gut.“
Sie verabschiedeten sich bis zum Abendessen, und Eliana ließ sich aufs Bett fallen, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Ruhe und ein Versteck! Eliana schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Leere und die Schwärze, die sie zu verschlingen drohte ... und die Unruhe, die sie weiter vorantrieb ... als fehlte ihr etwas, das sie unbedingt finden musste. Danyal! Eliana atmete den Geruch nach Reinigungsmitteln ein, der aus der frischen Bettwäsche aufstieg. Das erste Mal, seit sie vor einigen Tagen panisch ihre Wohnung verlassen hatte, fühlte sie sich sicher. Trotzdem flogen ihre Gedanken zurück zu den grauenvollen Ereignissen. Lukas war tot, Danyal entführt, Satanael bedrohte sie ... und sie hatte Gabriel und ihre Eltern zurücklassen müssen. Sie dachte über ihr Leben nach, das innerhalb kürzester Zeit vollkommen zerstört worden war. Noch nicht einmal ihr Name war ihr geblieben. Sie hieß jetzt offiziell Christine Eckert – und sie brauchte neue Kleidung. Röcke, Pullover und hochgeschlossene Blusen in dezenten Farben – wenn sie als Studentin einer päpstlichen Universität nicht auffallen wollte, war das unabdingbar. Die weiblichen Mitglieder der Milizia Dei trugen keine Hosen und kleideten sich konservativ. Aber das war Eliana bereits von ihrer Arbeit bei Edel und Berns gewohnt und wäre das geringste Problem.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Es wurde schon dunkel. Eliana spürte ihre Müdigkeit, war jedoch viel zu überdreht, um schlafen zu können. Lustlos nahm sie die Fernbedienung vom Nachtschrank und zappte durch die Programme – allesamt italienisch natürlich. Sie verstand kaum ein Wort, nur ein paar Brocken, weil sie irgendwann ... es schien ihr unendlich lange her zu sein ... das kleine Latinum erworben hatte. Schließlich ließ sie die Lokalnachrichten nebenher laufen. Zumindest aus den Bildern konnte sie etwas erkennen. Hauptsächlich ging es um den Vatikan, den Papst und wieder den Vatikan. Eliana seufzte und schüttelte den Kopf. Wenn sie dies hier irgendwie überlebte und Danyal fand, wollte sie ihr ganzes Leben lang nichts mehr mit Religion zu tun haben. Einfach neu anfangen, irgendwo ...
In den Nachrichten wurde das Bild einer Frauenleiche gezeigt. Sie lag auf einem Obduktionstisch, Körper und Gesicht waren von Wucherungen und Beulen bedeckt, vor allem an den Beinen war sie mit unzähligen roten Flecken übersät. Das Gesicht war kaum noch als solches zu erkennen. Die Leiche war blutverschmiert, der Körper aufgedunsen und geschwollen. Wahrscheinlich, weil dieser Anblick sowohl grauenvoll als auch ungewöhnlich war, fesselte der Beitrag Elianas schwindende Aufmerksamkeit. Sie konzentrierte sich, um ein paar Worte zu verstehen. „... ermordet ... Leiche der neunzehnjährigen Studentin Guila Di Lauro wurde in einem Waldstück gefunden ... Lungenversagen ... rote Flecken an den Unterschenkeln ... konnte nur über zahnärztliche Unterlagen identifiziert werden ... Polizei bittet dringend um Hinweise oder Zeugenaussagen ...“
„Wer tut so etwas? Wer ermordet jemanden und verstümmelt ihn dann bis zur Unkenntlichkeit?“ Eliana schaltete angewidert den Fernseher aus. Immer nur Mord und Tod, egal wohin man auch sieht. Frustriert
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