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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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beobachtete die Tür. Ein Angestellter des Kaufhauses öffnete sie und verschwand dahinter. Die Tür war nicht abgeschlossen. Werdin drehte sich abrupt um. Er amüsierte sich über die Überraschung seiner Verfolger. Sie standen wie erstarrt und mühten sich, wie Kunden zu erscheinen. Einer griff sogar nach einem Topf und musterte ihn eingehend. Eiligen Schritts strebte Werdin auf die Rolltreppe nach unten zu. Die Gestapofressen sollten glauben, er würde nun rasch das KaDeWe verlassen, sie mussten den Abstand zu ihm verringern. Kurz vor der Rolltreppe blieb er stehen. Er stellte seine Einkaufstasche mit dem Spielzeugauto ab und beschäftigte sich mit einer Ausstellung von Küchengeschirr. Dann eilte er zur Rolltreppe, die Einkaufstasche ließ er stehen. Während er hinunterfuhr, beobachtete er vorsichtig, was hinter ihm geschah. Er sah, wie seine Verfolger einer nach dem anderen auf die Treppe stiegen. Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand auf die Stirn, mimte Erschrecken, drehte sich auf der Rolltreppe um und stürmte entgegen der Rollrichtung nach oben. Ohne sie zu beachten, lief er an den Gestapofressen vorbei. Sie standen wie erstarrt und fuhren weiter nach unten. Wenn sie ihm entgegen der Rollrichtung gefolgt wären, hätten sie sich selbst enttarnt. Werdin gewann einige Sekunden Vorsprung. Oben angekommen, schnappte er sich die vermeintlich vergessene Einkaufstasche und rannte zu der Tür mit der Aufschrift Nur Personal . Er riss sie auf und lief in einen schlecht beleuchteten Flur. Ein großer fetter Mann stand im Weg. Er trug eine schwere Hornbrille und hatte Schmisse in einem feisten Gesicht.
    Mit gestreckten Armen kam er auf ihn zu. »Sie haben hier nichts zu suchen. Verschwinden Sie, sonst hole ich die Polizei!«
    Werdin hielt ihm seinen SD-Ausweis unter die Nase und schaute ihn finster an.
    »Das konnte ich nicht wissen«, sagte der Mann kleinlaut. Er wusste nicht, wohin mit seinen mächtigen Armen.
    »Geheime Reichssache! Sie haben mich nicht gesehen!«, schnarrte Werdin im Befehlston.
    »Jawoll!«, sagte der Mann. »Ich habe Sie nicht gesehen!«
    »Gibt es hier einen Ausgang?«
    Der Mann zeigte hinter sich.
    »Wie heißen Sie?«
    »Martin Obermüller.«
    »Obermüller, egal, wer Sie fragt, Sie haben mich nicht gesehen!«, wiederholte Werdin. »Wenn Sie mich verraten, komme ich zurück und reiße Ihnen den Arsch auf.«
    Die Hände des Manns begannen zu zittern.
    Der Hintereingang führte Werdin in die Marburger Straße. Ohne zu rennen, eilte er zum Kurfürstendamm, ging zur Hardenberger Straße und verschwand im Bahnhof Zoo. Er setzte sich in eine U-Bahn nach Ruhleben. Niemand folgte ihm. Am Adolf-Hitler-Platz stieg er aus.
    Werdin bummelte zwei Stunden um den Lietzensee und beobachtete, was in seinem Rücken vor sich ging. Niemand folgte ihm. Am Kaiserdamm winkte er nach einem Taxi, einem schwarzen Opel, und ließ sich zum Flughafen Tempelhof fahren. Falls der Taxifahrer vernommen werden sollte, würde er aussagen, sein Fahrgast sei im Flughafengebäude verschwunden. Er habe ihn nicht herauskommen sehen. Der SD würde sich fragen, ob Werdin mit falschen Papieren ins Ausland geflogen sei. Und wenn er eine Weile unentdeckt bliebe, vielleicht glaubten sie es dann sogar.
    Werdin stand an einem Fenster im Flughafengebäude und beobachtete das Treiben vor dem Eingang. Der schwarze Opel hatte sich in die Reihe der wartenden Taxis gestellt. Der Fahrer war ausgestiegen und schwatzte mit einem Kollegen. Hin und wieder setzte er sich in seinen Wagen und fuhr ein Stück weiter vor. Werdin wollte kein Risiko eingehen und wartete, bis der Taxifahrer die Wagentür öffnete für eine alte Dame. Dann fuhr das Auto mit schwarz qualmendem Auspuff davon.
    Werdin machte sich auf den Weg zur nahe gelegenen U-Bahnstation Boddinstraße. Er staunte, wie schnell die Straßen und Orte zurück in sein Gedächtnis kamen. Manchmal schien es, als wäre er nie fort gewesen. Er hoffte, Rettheim würde bald das Gewehr besorgen und sie könnten beginnen, einen Attentatsplan auszuarbeiten. Ob er bei Rettheim schlafen sollte? Vermutlich würden die Fahnder mit seinem Foto durch die Hotels und Pensionen ziehen. Rettheim würde ihn aufnehmen, natürlich erst nach einigen Schimpfereien. Dann konnte Werdin vielleicht auch Rettheims Sauferei bremsen. Sie brauchten einen klaren Kopf, Rettheim nicht weniger als er. Er würde jetzt Irma besuchen und heute Nacht bei Rettheim schlafen. Sein Gepäck musste im Hotel bleiben. Irma schlief

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