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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Papierkrümel. Da ist er mir weit voraus. Schellenberg wusste, Werdin würde die Zacher entdecken. Während er suchte, haben wir ihn gefunden. Wir haben Glück gehabt, aber Glück hat im Leben der Geheimdienste nur der Kluge. Und Schellenberg ist der Klügste von allen. Am Ende passt alles zusammen. Wir kriegen den Pakt mit den Russen, den Verräter holen wir uns gleich. Es läuft wunderbar, im Großen wie im Kleinen. Wenn er sich nur klar werden könnte über Waltraud. Morgen würde er nach Wewelsburg fahren und Himmler mitteilen, wen er gefangen hatte. Schellenberg würde sich freuen wie ein Kind. Himmler würde ihn vielleicht befördern. Bestimmt hatte er sich mit Berija längst auf einen Vertrag geeinigt.
    ***
    Es dauerte fast vier Stunden. Er hatte sich auf einen Stuhl im Laden gesetzt. Einmal hatte er den Vorhang zur Seite geschoben und nach der Toilette gefragt. Die Frau zeigte mit dem Finger die Richtung. Sie saß an einem Sichtgerät und betrachtete Negative. Inzwischen kannte Werdin das Angebot des Fotogeschäfts auswendig. Kameras von Leica und Zeiss, Filme von Agfa, Ferngläser, Lupen, Porträtaufnahmen für fünfzig Pfennig pro Stück.
    Der Vorhang wurde zur Seite geschoben, die Frau trug in der Hand einen Negativstreifen und ein Formular. Werdin stand auf. »Irma von Zacher, Berlin-Friedrichsfelde, Rummelsburger Straße 56«, sagte die Frau.
    Er fühlte kalten Schweiß auf der Stirn. Übelkeit erfasste ihn. »Das ist der Flieger?«, fragte er.
    »Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte die Frau. »Mein Gott, sehen Sie blass aus. Geht es Ihnen nicht gut? Soll ich einen Arzt holen?«
    Werdin winkte ab. Er bekam kein Wort heraus. Er fiel mehr in den Stuhl, als dass er sich setzte. Er starrte auf den Boden. Was sollte er tun? Irma hatte geheiratet. Offenbar diesen Flieger, der die Uranbombe über Minsk abgeworfen hatte. Aber warum schrieb sie ihm dann?
    »Wissen Sie, wann Frau von Zacher geheiratet hat?«, fragte Werdin die Frau.
    Die schaute ihn neugierig an. »Das müssten Sie doch wissen. Darüber hat sogar die Wochenschau berichtet.«
    Werdin schüttelte den Kopf.
    »Na, es war gleich nach dem Krieg.«
    Sie hatte ihm geschrieben, als sie schon verheiratet war.
    »Komisch, dass Sie das nicht mehr wissen. Ich sehe das Bild noch vor mir. Helmut von Zacher mit seiner schönen blonden Braut. Sogar der Reichsführer war dabei.«
    Eine Tote, die einen Kriegshelden heiratete, mit Himmler als Hochzeitsgast.
    »Haben Sie einen Stadtplan?«
    Die Frau ging in das Zimmer hinter dem Vorhang und gab ihm eine Karte, Großer Silva-Stadtplan von Berlin. Irma wohnte nur ein paar Straßen entfernt von Rettheim. Warum schrieb sie ihm, wenn sie einen anderen geheiratet hatte?
    ***
    Im Fußboden ein Sonnenrad mit Sigrunenstrahlen. Es bildete den Mittelpunkt eines Kreises von durch Bögen miteinander verbundenen Säulen. Eine seltsame Mischung aus Klassizismus und Germanenkult, dachte Grujewitsch. Sie verließen die Säulenhalle. Dann wurden sie über den Hof durch das einzige Tor auf einem Weg außerhalb der Burgmauern zum großen Nordturm geführt. »Ich zeige Ihnen jetzt unser Heiligtum, es liegt direkt unter der Säulenhalle, in der wir gerade waren«, übersetzte der Dolmetscher Himmlers Worte. Sie stiegen eine Treppe hinunter, Himmler schritt voran. Er öffnete eine schwere, mit Runen beschlagene Tür. Es ging weiter hinunter. Dämmerlicht fiel durch Lichtschächte in einen dunklen, kreisrunden Raum. In der Mitte flackerte ein schwaches Feuer. Grujewitsch erkannte Podeste. Er schaute hoch und blickte in eine Kuppel, in deren Spitze ein Hakenkreuz war.
    Grujewitsch fühlte sich schwer. Himmler flüsterte fast: »Sie sehen zwölf Sitzpodeste für unsere Obergruppenführer. Hier betrauern wir unsere Toten und sprechen uns Mut zu. Ich halte hier oft Zwiesprache mit Reinhard Heydrich.«
    Grujewitsch war froh, als sie die Gruft verließen. Himmler zeigte seinen Gästen das Gelände der Burg. »Eigentlich wollten wir das Dorf Wewelsburg ein Stück versetzen, um unsere Burg mit einer mächtigen Wehranlage zu umgeben. Zurzeit ist das aber leider nicht möglich.«
    Himmler schaute traurig. Noch waren seiner Macht Grenzen gesetzt. Aber auch ohne den Ausbau beeindruckte die Burg Grujewitsch. Er hatte noch nie eine Dreiecksburg gesehen. »Die Einzige in Deutschland«, sagte Himmler. An den Mauern hatte er den Putz abschlagen lassen, damit das Gebäude mehr nach Mittelalter aussah. Nur ein Weg führte ins Innere der Burg. An der

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