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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Außenmauer und an den Toren standen Wachtposten. Streifen mit Hunden patrouillierten über das Gelände.
    Im Dreieckshof waren Tische, Stühle und Sonnenschirme aufgestellt. Die Stühle waren ledergepolstert, die Rückenlehnen zierten Doppelsigrunen. Auch das Besteck der Westfälischen Metallwaren-Manufaktur trug das stilisierte Doppel-S. Germanische Symbole auf Tellern, Schüsseln, Kannen. Der Pulk verteilte sich auf die Plätze. An einem eigenen Tisch, bei ihnen nur ein Dolmetscher, saßen Himmler und Berija. Beide waren sie klein und untersetzt, beide trugen Brillen mit runden Gläsern. Von der Ferne sehen sie fast aus wie Brüder, dachte Grujewitsch.
    Schellenberg hatte sich neben ihn gesetzt.
    »Eine kleine SS-Welt«, sagte Grujewitsch lächelnd.
    Schellenberg nickte. »Unser Reichsführer legt großen Wert auf die Ausgestaltung der Burg. Wir sind tief verwurzelt in unserer Geschichte, im Deutschen Ritterorden, aber auch in Zeiten, die viel weiter zurückreichen. Himmler hat germanische Götter wieder entdeckt und die heidnischen Wurzeln christlicher Riten gefunden. Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Einrichtung mit dem Namen Ahnenerbe, Sie gibt uns Tiefe im Glauben ...«
    »Und das Gefühl der Überlegenheit über andere Rassen.« Grujewitsch bedauerte den Satz in dem Augenblick, als er ihm herausgerutscht war.
    Aber Schellenberg lächelte nur. »Auch wir haben mit Übertreibungen angefangen.«
    Grujewitsch wusste, die Übertreibungen waren längst nicht ausgemerzt. Der Germanenkult der SS war die religiöse Begründung ihres Rassismus. Niemals würde die SS den Slawen Gleichwertigkeit zubilligen. Für uns ist die Zusammenarbeit mit Himmler nur eine zeitweilige Beruhigung. So richtig der neue Vertrag mit den Deutschen ist, er ist der Auftakt einer neuen Auseinandersetzung irgendwann in der Zukunft, dachte Grujewitsch. Aber immerhin haben wir jetzt erst einmal ein paar Möglichkeiten mehr.
    Es gab rheinischen Sauerbraten mit Kartoffelklößen. Davor eine Hühnerbrühe, danach einen Früchteteller. »Ein richtig deutsches Essen«, sagte Schellenberg.
    »Vielleicht besuchen Sie uns bald einmal. Dann werden wir uns mit den Genüssen der russischen Küche revanchieren«, sagte Grujewitsch.
    Schellenberg lachte. »Ich habe da schon einiges gehört, vor allem von den Getränken.«
    »Sie haben ja noch ein bisschen Zeit zu üben«, erwiderte Grujewitsch.
    Er beobachtete seinen Chef und den Reichsführer. Sie saßen über dem Papier, das Himmler Berija schon in Berlin gereicht hatte. Grujewitsch kannte es. Es war der Entwurf des Freundschaftspakts, gültig für zwanzig Jahre. Ihm sollte ein Wirtschaftsabkommen folgen. Außerdem wollte man bei einigen Rüstungsprojekten zusammenarbeiten. Die Grundlage für alles aber war der Freundschaftsvertrag. Der Entwurf war allgemein gehalten. Und doch war klar, wie er gemeint war. Er richtete sich gegen das Vormachtstreben der Vereinigten Staaten. Es ging um die Einflusszonen Washingtons in Asien, Afrika und Südamerika. »Wir werden die Großkotze weich kochen«, hatte Berija in Berlin gesagt. Deutschland und die Sowjetunion würden sich gemeinsam bemühen, den Einfluss der USA in der Welt zurückzudrängen. Zu diesem Zweck würden sie auch Operationen ihrer Streitkräfte aufeinander abstimmen. Russland besaß die stärkste konventionelle Streitmacht der Welt und rüstete mit Atomwaffen auf. Deutschland war die Nummer eins in der Raketentechnik und bei Atomsprengköpfen. In seinen Arsenalen lagerten zahlreiche Wasserstoffbomben, die neue Errungenschaft des Uranvereins um Carl Friedrich von Weizsäcker, der überall »Atompapst« genannt wurde, während sein Lehrmeister Heisenberg in Göttingen hochgeehrt den Ruhestand genoss. Die deutsche Luftwaffe flog die modernsten Bomber und Jäger. Nur auf dem Wasser waren die Sowjetunion und Deutschland den USA unterlegen. Grujewitsch zweifelte nicht, eine neue Zeit der Konfrontation stand bevor, weltweit.
    Berija und Himmler steckten ihre Köpfe zusammen. Beide sahen froh aus. Sie lachten. Offenbar erzählten sie sich Witze. Der Entwurf des Pakts lag zwischen ihnen. Ab und zu kritzelte der Dolmetscher etwas auf das Papier.
    »Die beiden verstehen sich gut«, sagte Schellenberg.
    Grujewitsch nickte. Dann sah er, wie Berija in seine Richtung deutete. Ein kurzer Wink mit dem Zeigefinger. Grujewitsch sprang auf und näherte sich dem Tisch, an dem Berija und Himmler saßen.
    »Kommen Sie nur«, sagte Berija.
    Grujewitsch trat neben seinen

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