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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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er.
    »Und Sie kommen jetzt gerade von der Front, Herr Hauptmann?«
    »Gewissermaßen«, sagte Zacher, »sagen Sie, ich muss jetzt weiter, ich will nicht unhöflich sein - Mellenscheidt?«
    Die Frau starrte ihn enttäuscht an. »Kornmandelweg 3a«, sagte sie beleidigt. Sie wies die Straße hinunter. »Da hinten, die zweite rechts.«
    Dann drehte sie sich weg.
    Kaum zehn Minuten später stand Zacher vor einem kleinen Einfamilienhaus aus roten Ziegelsteinen, umgeben von einem gepflegten Garten. Blumen blühten, Gräser beugten sich im Wind. Er schaute am Haus vorbei und sah, dass ein Teil des Gartens Nutzpflanzen vorbehalten war. Er stellte sich vor, es wäre Frieden. Verflucht, dachte er, warum dieser elende Krieg? Am Anfang hatte Zacher mitgejubelt: Polen geschlagen, Frankreich besiegt, Feldzüge von ein paar Wochen, wenig Verluste, ein Rausch, der alle Zweifel wegblies. Die Idylle des roten Hauses verletzte ihn. War alles falsch, was er getan hatte?
    Er hatte weiche Knie. Er öffnete die Gartentür und klingelte am Hauseingang. Er nahm seine Schirmmütze vom Kopf, hielt sie in der Linken. Schritte hinter der Tür, eine ältere Dame öffnete und schaute ihn fragend an. »Ja?«
    »Guten Tag, entschuldigen Sie. Zacher, Helmut von Zacher. Ist Fräulein Mellenscheidt zu Hause?«
    Die Dame musterte ihn ausführlich. Dann drehte sie den Kopf zur Seite und rief: »Irma! Für dich!«
    Eine Tür öffnete sich. Schritte, dann sah er Irma hinter ihrer Mutter. Sein Herz klopfte. Sie war kein Traum, es gab sie wirklich. Irmas Mutter trat ein Stück zurück in den Flur, misstrauisch beäugte sie die Szene.
    »Guten Tag, Herr von Zacher«, Irma gab ihm die Hand. »Mama, das ist der Herr, von dem ich im Kranzler gesprochen habe.«
    »Du hast mir aber nicht gesagt, dass du ihn eingeladen hast.«
    Zacher blickte einen Augenblick auf den Boden, dann sagte er zu Margarete: »Sie hat mich nicht eingeladen. Ich war gerade in der Gegend, da dachte ich .«
    »Ach, kommen Sie doch rein«, sagte Irma. »Wollen Sie einen Kaffee? Oder das, was man heutzutage so nennt?«
    »Zu freundlich«, sagte Zacher. »Ich sehe, ich komme ungelegen.«
    Er schaute auf Margarete, aber sie schwieg.
    »Nein«, sagte Irma. »Erzählen Sie was von den Wunderflugzeugen.«
    Sie hatte behalten, was er im Zug gesagt hatte. Zachers Laune stieg. Er ließ sich ins Wohnzimmer führen, gemütlich, gutbürgerlich, eine Waldlandschaft an der Wand, schlicht gerahmt. Margarete sagte: »Ich koche Kaffee«, und ließ Zacher und Irma allein.
    »Es ist mir etwas unangenehm, ich fürchte, Ihrer Mutter ist es nicht recht.«
    »Ach, das gibt sich«, erwiderte Irma fröhlich. »Wenn Sie jetzt nicht schlürfen und schmatzen, wird Mama Sie bald in die menschliche Gemeinschaft aufnehmen.« Sie lachte ihn an. »Und was bringt Sie in unsere Gegend?«
    »Ich komme aus Strausberg, vom Flugplatz.«
    »Und was tun Sie dort?«
    »Großes Geheimnis«, sagte Zacher und legte den Zeigefinger auf den Mund.
    »Ich bin so neugierig«, sagte Irma und lachte.
    »Du fragst unserem Gast noch ein Loch in den Bauch.« Margarete stand in der Tür, in der einen Hand eine dampfende Kanne, in der anderen einen Teller mit Marmeladenbroten.
    Irma ging zum Wohnzimmerschrank, wo hinter Glas das Sonntagsgeschirr wartete. Sie stellte Teller und Tassen auf den Tisch. »Nehmen Sie doch Platz.« Margaretes Gesicht hatte etwas von seiner Anspannung verloren. »Leider haben wir keinen Kuchen, aber eine kleine Stärkung ist doch recht?«
    Zacher dankte, legte eines der angebotenen Brote auf seinen Teller und nippte am Ersatzkaffee. Irma freute sich offenbar, dass er gekommen war. Wie sollte er es verstehen? Sie blickte ihn offen und freundlich an, war gut gelaunt.
    »Sie sind bei der Luftwaffe?«, fragte Margarete.
    »Ja, bei den Jagdfliegern.«
    Wie aufs Stichwort begannen in diesem Moment die Sirenen zu heulen, ein langer hoher Ton, dann ein niedriger, immer im Wechsel.
    »Nehmen Sie etwas mit«, sagte Margarete und drückte Zacher den Teller mit den Broten in die Hand. »Im Keller kann man auch essen. Das haben wir ja nun gelernt.«
    Die Fensterschächte im Keller waren mit Sandsäcken abgedichtet. An der Decke hing eine Lampe aus weißem Tuch, an der Innenwand stand eine Bank, davor ein kleiner Tisch und zwei alte Stühle. Sie hatten sich eingerichtet, die Berliner verbrachten einen großen Teil der Tage in Kellern und Schutzräumen. Aus dem Westen kam das Dröhnen der fliegenden Festungen, es wurde lauter.
    »Sie

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