Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
Er winkte unwirsch ab. Kaum war die Tür geschlossen, rief er seine Sekretärin zurück. Sie schaute ihn verwirrt an. »Verbinden Sie mich mit Gruppenführer Müller«, herrschte er sie an.
    Krause berichtete seinem Chef, dass die umkämpften Peilwagen schon seit zehn Wochen unter dem Kommando der Gestapo-Außenstelle in Paris standen. Mit kalter Stimme sagte Müller: »In einer Woche haben’s die Wagen. Spätestens.«
    Ganz klein der Werbellinsee, Groß Ziethen, Angermünde. Zacher legte die Maschine sanft in eine Linkskurve. Ein Blick auf die Instrumente: 3000 Meter, 710 Stundenkilometer. Er zog den Jäger auf 6000 Meter hoch und gab vollen Schub. Das Pfeifen wurden schrill. 740, 790, 830, 870. Ein Schütteln im Leitwerk. Zacher nahm Schub weg. Vorsichtig ließ er die Messerschmitt auf 3500 Meter sinken. Es war ein großartiges Gefühl. Unter sich ein Dorf, Kyritz. Er legte die Maschine in eine scharfe Rechtskurve und beschleunigte sie auf 750. Ein mächtiger Druck im Rücken. Keine Wolke störte seinen Flug, keine Turbulenzen. Fast hatte er das Gefühl zu schweben. Was für ein Unterschied zu seiner Focke-Wulf, kein dröhnender Kolbenmotor, kein rotierender Propeller vor der Nase. Aber das Pfeifen der beiden Turbinentriebwerke, die ihn bei der Beschleunigung in den Sitz pressten, zeigte an, dass auch dieses Flugzeug sich nicht durch himmlische Kräfte bewegte. Noch einmal voller Schub, ein skeptischer Blick auf die Tankanzeige. Zacher zog die Me 262 nach oben und drückte den Hebel für die Schubkraft bis zum Anschlag nach vorne. Auf 7000 Meter Höhe legte er den Jäger in die Horizontale, bei 880 rüttelte ein Flattern im Höhenruder am Steuerknüppel, wie gehabt. Er ging in einen leichten Sinkflug über, noch eine weite Linkskurve, und er konnte den Turbinenjäger auf dem Militärflugplatz bei Strausberg landen. Der Sprit reichte, kein Grund zur Sorge. »Ich komme runter«, sagte Zacher ins Funkgerät.
    »Sie kommen runter. Verstanden«, tönte es zurück.
    Die Landung war so leicht wie der Flug zuvor. Die Maschine war ein Meisterwerk. Sie hoppelte über die Unebenheiten der Landebahn bis dicht vor den gegen Luftsicht getarnten Hangar. Zacher stieg aus und sprang auf den Boden. Ein Mann in einem blauen Monteursanzug lief auf ihn zu, Dr. Helmut Pfull, leitender Flugingenieur der Messerschmitt-Werke.
    »Wie war der Flug, Herr Hauptmann?«
    »Was für ein Flug?«, fragte Zacher zurück.
    Pfull schaute ihn verduzt an.
    »Es war kein Flug, es war ein Schweben, ein schnelles allerdings.«
    Pfulls Gesicht konnte seinen Ärger nicht verbergen. Er brauchte sachliche Auskünfte und keine lyrischen Ergüsse. Die Zeit drängte.
    Zacher lachte ihn an, er fühlte sich euphorisch. »Bei vollem Schub ab 6000 Meter Höhe flattert das Höhenruder leicht. Sonst fliegt das Ding wie geschmiert.«
    »Wann bekomme ich Ihren Bericht?«
    »Ich werde ihn gleich hier schreiben, es werden nur ein paar Zeilen. Wenn Sie die Sache mit dem Leitwerk in Ordnung kriegen, können Sie Ihre Schwalbe gleich morgen auf die Amis hetzen. Die werden staunen. Wird ja auch langsam Zeit.« Er zog die Fliegermütze vom Kopf, öffnete den Reißverschluss seiner Montur und lief federnden Schritts zu einem großen Zelt, in dem die Leitstelle untergebracht war, seitdem die Engländer eines Nachts die Flughafengebäude in Staub und Steine zerlegt hatten. Im Zelt setzte er sich an einen kleinen Tisch und schrieb seine Eindrücke vom Flug auf. Die Me 262 war schnell, wendig und besaß ein einzigartiges Steigvermögen. Sie konnte die hoch fliegenden feindlichen Aufklärer angreifen. Sie war nicht schwerer zu beherrschen als gängige Jagdflugzeuge wie die Me 109 oder Zachers Focke-Wulf 190. Sie war aber allen Jagdflugzeugen weit überlegen, auch den Begleitjägern, die die alliierten Bomber vor der deutschen Luftabwehr schützten. Bewaffnet mit vier Dreißig-MillimeterSchnellfeuerkanonen oder Luft-Luft-Raketen konnte sie zum Schrecken der fliegenden Festungen werden. Vielleicht haben wir ja doch noch eine Chance, dachte Zacher. Wenigstens gegen die Bomber.
    Er setzte sich in den Kübelwagen und befahl dem Fahrer, einem Obergefreiten, ihn zum Reichsluftfahrtministerium zu bringen. Ruinen an der Straße, immer mehr, je näher sie der Stadt kamen. Behutsam steuerte der Fahrer den Volkswagen zwischen Bombentrichtern, Steinen, Masten und Geröll hindurch. Sie mussten halten, ein Trupp von vielleicht zehn oder zwölf Leuten in gestreifter Häftlingskleidung lud Schutt auf

Weitere Kostenlose Bücher