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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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sich Werdin hin und wieder unauffällig um.
    Er kam gleich zur Sache. »Sie dürfen Himmler nicht töten. Wenn Sie es tun, gibt es einen Bürgerkrieg. Dann stehen eine Million SS-Leute gegen Sie. Und Sie sind doch nur ein paar. Oder glauben Sie, die Wehrmacht wird Sie verehren, wenn Sie ihren Oberbefehlshaber umbringen?«
    Stauffenberg sah ihn von der Seite an. In seinem Gesicht spiegelte sich das Überlegenheitsgefühl des adligen Offiziers gegenüber einem Mitarbeiter von Himmlers Mörderbande. Er schien nachzudenken. Dann fragte er: »Und was treibt einen Gestapomann, sich mit mir zu treffen, Herr Werdin?«
    »Ich bin nicht bei der Gestapo, sondern beim Sicherheitsdienst.«
    »Welch feiner Unterschied, das kennt man ja gar nicht von Ihresgleichen.«
    »Ein Gestapobeamter hätte Sie festgenommen. Ist das kein Unterschied?«
    Stauffenberg lächelte. »Da haben Sie natürlich Recht. Rettheim hat mir gestanden, dass Sie gut informiert sind.«
    »Das war ich schon, bevor ich Rettheim kennen lernte. Vielleicht nicht ganz so gut.«
    »Und Sie haben uns nicht verraten«, sagte Stauffenberg. Es klang erstaunt. »Warum? Das kann Sie den Kopf kosten.«
    »Glauben Sie, es könnten ein paar Offiziere und geschasste Politiker den Staatsstreich planen, und die SS erfährt nichts davon? Davon abgesehen, zwei von Ihren Mitputschisten haben dem Reichsführer sogar vorgeschlagen mitzumachen.«
    Stauffenberg nickte, Ärger stand in seinen Augen. »Ja, Popitz und Langbehn. Die hätten uns fast ans Messer geliefert, weil sie unbedingt mit der SS liebäugeln mussten.«
    »Trotzdem können Sie froh sein, Müller von der Gestapo weiß nicht viel. Wenn der zuschlägt, ist auch Himmler machtlos. Was denken Sie, was los ist, wenn Müller dem Führer klar macht, Himmler konspiriere gegen ihn? Davor hat Himmler Schiss, ich kann es sogar verstehen. Aber zur Sache: Hitler muss weg, aber nur er. Oder meinetwegen ein paar Generale, das ist egal. Aber Himmler nicht.«
    »Fordern Sie das in Himmlers Auftrag?«
    »Nein, er weiß nichts davon.«
    »Dann sind Sie gewissermaßen Himmlers Schutzengel.«
    »Wenn Sie so wollen.«
    »Aber Himmler ist ein Massenmörder. Wissen Sie, was seine Einsatzgruppen im Osten angerichtet haben, hunderttausende von Toten, Massenerschießungen, Mord und Totschlag ohne Ende?«
    »Und Sie haben Hitlers Krieg geführt«, sagte Werdin. »Ohne Krieg kein SS-Mord im Osten.«
    Stauffenberg sah ihn empört an. »Wir haben ehrlich gekämpft und nicht gemordet. Versuchen Sie nicht, uns Ihre Verbrechen in die Schuhe zu schieben.«
    Werdin erkannte, er hatte einen Fehler gemacht. Was nutzte es ihm, Recht zu behalten, wenn er Stauffenberg erzürnte? »Ich wollte Wehrmacht und SS nicht gleichsetzen, tut mir Leid«, sagte Werdin und hoffte, dass Stauffenberg ihm die Lüge abnahm.
    Der lehnte sich etwas zurück. »Kommen wir zur Sache. Sie sind schon in einem komischen Haufen. Die Gestapo, die gehört ja zu Ihrem Reichssicherheitshauptamt« - Verachtung in der Stimme, als er dieses Wort aussprach - »wie der Sicherheitsdienst, und alle unterstehen Sie Ihrem seltsamen Reichsführer-SS. Die Gestapo hat Helmuth von Moltke und andere Mitglieder des so genannten Kreisauer Kreises verhaftet. Die lehnen aber jeden Gewaltakt ab, auch einen Anschlag auf Hitler. Dann haben Sie« - er schaute auf Werdin, der sich jedoch den Widerspruch verkniff - »Reichwein und Leber verhaftet.
    Und jetzt sagt Rettheim mir, dass Sie Hitler tot sehen wollen. Können Sie sich vorstellen, dass ich das verrückt finde?«
    Werdin nickte. »Das ist ja auch verrückt. Warum Moltke verhaftet wurde, weiß ich nicht. Reichwein und Leber sind einem Gestapospitzel aufgesessen, als sie Kontakt zur KPD aufnahmen. Müller hat das erzählt. Der erzählt zwar sonst nichts, aber diesmal war er so stolz: Leber - ein ehemaliger Reichstagsabgeordneter der SPD.« Werdin schaute Stauffenberg eindringlich in die Augen. »Wenn Sie Himmler töten, machen Sie Kaltenbrunner zu seinem Nachfolger. Kaltenbrunner ist primitiv, brutal und Hitler-gläubig. Als neuer Reichsführer-SS kommandiert er rund eine Million Mann, die meisten davon sind erstklassig bewaffnet und ausgebildet. Denken Sie nur an die WaffenSS-Divisionen an der Front. Die haben zwar furchtbare Verluste, sind aber immer noch kampfkräftiger als die meisten Wehrmachtverbände.«
    »Aber würde die WaffenSS auf Kaltenbrunner hören?«
    »Warum nicht? Es würde schon reichen, wenn sie auf die Feldmarschälle im Osten hört, die

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