Der 26. Stock
Posten in unseren Reihen anzubieten.«
»Was …?« Isabel spürte, wie ihr Mund trocken wurde. Für einen Moment brachte sie kein Wort heraus. Die Anspannung war zu groß.
Und die Angst. »Was bedeutet das?«
Alberto setzte sich hin, ohne das Sakko abzulegen, und schlug die Beine übereinander.
»Weißt du, Isabel, wir haben einiges versucht, damit du dich aus der Sache raushältst, aber du hast es nicht getan. Miguel
wollte von hier weg, und das ist ihm anscheinend nicht gut bekommen. Jetzt kannst du bleiben und seinen Platz einnehmen. Für
Vera finden wir schon auch einen Posten.«
»Und wenn wir nicht annehmen?«, fragte Isabel. Sie verstand nicht recht, worauf er hinauswollte.
Sie machte einen Schritt nach vorne. Es gefiel ihr nicht, dass der Raum so im Dunkeln lag. Sie konnte gerade einmal den Tisch
und die Gesichter der Personen erkennen. Alberto senkte den Blick, zog einen Füller aus der Innentasche seines Sakkos und
begann, damit herumzuspielen.
»Diese Möglichkeit existiert nicht«, sagte er und mied betrübt den Blickkontakt mit den beiden Frauen. »Ihr habt es bis hierher
geschafft, und jetzt könnt ihr nicht mehr zurück, keinem von uns ist das gelungen. Ich werde euch jetzt unsere Geschichte
erzählen, einverstanden? Ich hätte sie euch gern erspart, aber jetzt wird es wohl das Beste sein.«
Alberto warf einen Blick in die Runde der Anwesenden. Einer nach dem anderen stimmte mit einem leichten Kopfnicken zu.
»Na gut«, hob Alberto an und legte den Federhalter auf den Tisch. »Eigentlich ist sie schnell erzählt. Schon lange vor dem
Abend, als die Sache bei dir passierte, Vera – als dein Mann aus der Hölle zurückkam –, hatte ich einige unangenehme Erfahrungengemacht. Mehrere Kollegen waren unter merkwürdigen Umständen gestorben, andere spurlos verschwunden. Die meisten von ihnen
waren hier im Turm tätig gewesen, einige auch in auswärtigen Niederlassungen. Bei einem Großunternehmen wie dem unseren fiel
das zuerst niemandem auf, aber ich habe irgendwie Verdacht geschöpft. So begann ich, Erkundigungen einzuziehen.
Bald darauf fing etwas an, das ich als meine Strafe erkennen sollte. Ich glaube, es war an einem Samstagabend, da spazierte
ich mit meinem Sohn durch einen Park bei uns in der Nähe. Auf einer der Parkbänke saß ein Kerl in blutverschmierten Klamotten,
der da die Tauben fütterte. Mein Sohn hat nur mit den Schultern gezuckt. Dann bekam er einen Anruf auf dem Handy, und ich
konnte mir den Mann näher ansehen. Er war gar kein Unbekannter. Sein Gesicht war zwar blutverkrustet, aber es kam mir bekannt
vor, auch wenn ich erst später begreifen sollte, warum. Zunächst schockierte mich an dem Ganzen vor allem, dass die Vögel
nicht etwa die Körner aufpickten, die der Mann für sie ausstreute, sondern auf ihn selbst einhackten. Mehrere Tauben hatten
sich auf ihm niedergelassen und pickten nach seinem Fleisch, wie die Geier. Ich wandte mich verstört an meinen Sohn, der immer
noch telefonierte, und lief dann zu der Bank; ich fragte mich, warum keiner der anderen Passanten sich so verhielt. Als ich
den Mann direkt vor mir hatte, musste ich vor Ekel den Atem anhalten und die Augen zusammenkneifen, und dann schlug ich auf
die Vögel ein, die immer mehr wurden. Aber meine Hände schlugen in die Luft. Als ich die Augen aufmachte, war die Bank vor
mir leer. Einige Leute hatten sich nach mir umgedreht. Ich musste geschrien haben, ohne es zu merken. Mein Sohn kam angelaufen
und fragte, was los sei. Ich wusste nichts zu antworten, also wechselte ich nur das Thema und spazierte weiter, als ob nichts
gewesen wäre.
›Danke für den Versuch‹, sagte da eine Stimme hinter mir. Das war seine Stimme – die Stimme meines früheren Chefs, der mir
alles über die Abläufe in der Firma beigebracht hatte. Ich fuhr herum,und da sah ich ihn wieder, umgeben von den aggressiven Tauben. ›Danke, aber mir kann keiner mehr helfen.‹
Damit stand er auf und ging. Mein Sohn fragte mich bestürzt, ob wirklich alles okay sei. Ich dachte, ich hätte vielleicht
nur geträumt.
Mein Chef tauchte immer wieder auf, mal bei mir zu Hause, mal im Büro. Ich bin nicht davongelaufen. Ich habe einfach so getan,
als wäre er gar nicht da. Dabei hoffte ich idiotischerweise, dass er verschwinden würde, wenn ich ihn nicht beachtete, aber
das tat er nicht.
Irgendwann fing er an zu reden. Er sagte, er sei gekommen, um mir mitzuteilen, was mich erwarte. Er klang
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