Der 3. Grad
hin.
Sie hatte die Form eines Peace-Symbols.
99
Charles Danko streifte ziellos durch die Straßen von San Francisco. Er dachte an das, was gerade in Berkeley passiert war, wo seine Freunde ihr Leben für die Sache gelassen hatten, wo sie den Märtyrertod gestorben waren, genau wie William damals vor so vielen Jahren.
Ich könnte eine Menge Leute umbringen. Gleich hier, auf der Stelle
.
Er wusste, er könnte ungehindert wüten, und es würde Stunden dauern, bis sie ihn erwischten, vielleicht sogar länger, wenn er es schlau anstellte, wenn er überlegt vorging – wie ein professioneller Killer.
Du bist tot, du geschniegelter junger Business-Typ mit deinem teuer aussehenden Schwarz-auf-Schwarz-Outfit!
Und du auch, du blonde Modetussi!
Du. Und du. Du! Du! Und ihr vier Witzfiguren, euch wird das Rumblödeln ebenfalls ganz schnell vergehen!
Gott, wie leicht es wäre, seiner Wut freien Lauf zu lassen.
Die Polizei und das FBI, deren Aufgabe es doch war, die Bürger zu »schützen«, hatten kläglich versagt.
Sie hatten nichts, aber auch gar nichts verstanden.
Sie begriffen nicht, dass es bei dieser Sache um Gerechtigkeit und Rache
zugleich
gehen konnte. Die beiden Konzepte waren absolut vereinbar, sie konnten durchaus Hand in Hand gehen. Er trat in die Fußstapfen seines Bruders William, hielt den großen, idealistischen Traum seines gefallenen Bruders hoch, und zur selben Zeit rächte er William. Zwei Ziele waren besser als eines. Doppelte Motivation – und doppelter Zorn.
Die Gesichter, die an ihm vorüberzogen, die teuren Klamotten, die absurden Läden, all das begann vor seinen Augen zu verschwimmen. Sie waren alle schuldig. Das ganze Land war schuldig.
Aber sie begriffen es nicht. Noch nicht.
Der Krieg tobte hier, mitten in ihrer Stadt, deren Straßen mit Gold gepflastert waren – und er würde nicht so bald wieder aufhören.
Niemand konnte ihn mehr stoppen. Es würde immer neue Soldaten geben.
Er selbst war schließlich auch nur ein Soldat.
An einer Telefonzelle blieb er stehen und machte zwei Anrufe.
Die erste Nummer gehörte einem Mitsoldaten.
Die zweite seinem Mentor; dem Mann, der an alles gedacht hatte – auch daran, wie er ihn, Danko, benutzen konnte.
Charles Danko hatte seine Entscheidung getroffen: Die morgige Aktion würde wie geplant über die Bühne gehen.
Es hatte sich nichts geändert.
100
Am nächsten Tag sollten die G-8-Gespräche wie ursprünglich geplant beginnen. Die Hardliner und Falken in Washington wollten es so, und ihr Wille würde geschehen.
Eröffnet werden sollte das Treffen am Abend mit einem Empfang im Rodinsaal des Museums im Legion-of-Honor-Palast, mit Blick auf die Golden Gate Bridge.
Gastgeber des Abends würde Eldridge Neal sein, einer der angesehensten Afroamerikaner im ganzen Land und unser amtierender Vizepräsident. Jeder verfügbare Uniformierte war zu Sicherheitsaufgaben an den Konferenzorten und entlang der Verbindungsstraßen eingeteilt. Jeder Ausweis würde dreifach überprüft werden, jeder Abfalleimer und jeder Lüftungsschacht von Sprengstoffhunden beschnüffelt.
Aber Danko lief noch immer frei herum.
Und Carl Danko war noch immer die einzige Verbindung zu seinem Sohn, die ich hatte.
So fuhr ich also ein zweites Mal nach Sacramento, während das ganze restliche Department sich auf die G-8-Feierlichkeiten vorbereitete. Carl Danko schien überrascht, mich so bald wieder zu sehen. »Ich hätte ja eher gedacht, dass Sie heute irgendeinen Orden ans Revers geheftet kriegen. Aber für Sie und Ihre Leute ist es wohl schon reine Routine, junge Leute umzubringen. Also, warum sind Sie hier?«
»Wegen Ihres Sohnes«, sagte ich.
»Mein Sohn ist
tot
.«
Dennoch ließ Danko mich ein, wenn auch schwer seufzend. Ich folgte ihm in sein kleines Wohnzimmer. Im Kamin brannte ein Feuer. Er kniete sich davor und stocherte mit dem Schürhaken darin herum; dann nahm er in einem Sessel Platz.
»Wie ich Ihnen schon beim letzten Mal sagte – der passende Zeitpunkt, über William zu sprechen, wäre vor dreißig Jahren gewesen.«
»Nicht Billy«, erwiderte ich. »
Charles
.«
Danko schien zu zögern. »Ich habe den FBI-Leuten doch schon gesagt –«
»Wir wissen Bescheid«, unterbrach ich ihn. »Wir kennen sein Strafregister, Mr Danko. Und wir wissen, dass er nicht tot ist.«
»Ihr Typen könnt es einfach nicht lassen, wie?«, knurrte der alte Mann. »Zuerst William, und jetzt Charlie. Gehen Sie und kassieren Sie Ihre Orden, Lieutenant. Sie haben Ihre Mörder
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