Der 4-Stunden-Koerper

anhand mehrerer Zeitlupenaufnahmen von Wettkämpfen seine Technik und stellte tatsächlich fest, dass er seine Beine zu schnell streckte, um den schwachen Quadrizeps zu kompensieren.
    Die Zeit bei Dr. Zweifinger zahlte sich aus. Bei fünfzig Dollar pro reaktiviertem Muskel ist es allerdings nicht gerade billig, sich von ihm auf Vordermann bringen zu lassen. Ich hatte insgesamt vier Sitzungen, bei denen mehr als 50 Muskeln behandelt wurden.
    Ich war nicht mit sämtlichen ergänzenden Therapien einverstanden, aber ich wusste, dass man oft einen weiten Bogen schlagen muss, wenn man alle Randbereiche erkunden will. Um die wenigen Dinge herauszufinden, die tatsächlich funktionieren, ist es bisweilen notwendig, sich auf die Zunge zu beißen und Behandlungen über sich ergehen zu lassen, von denen man genau weiß, dass sie nicht funktionierten, selbst in ein und derselben Praxis.
    Am Ende beurteilte ich seine Therapie nach dem einzigen Maßstab, der wirklich zählte: einheitliche Gewichte.
    Die Veränderungen waren alles andere als gering.
    Nehmen wir einmal den Brustbereich. Seit ich mir in meinen Teenagerjahren beide Schlüsselbeine gebrochen hatte, bereitete es mir unverhältnismäßige Schwierigkeiten, die Brustmuskulatur einzusetzen. Wodurch Bankdrücken und ähnliche Übungen zu meinen schwächsten Disziplinen gehörten.
    Vierundzwanzig Stunden vor meiner zweiten Sitzung schaffte ich im Liegen bei Decline Flys mit 18 Kilo schweren Kurzhanteln maximal fünf Wiederholungen.
    Vierundzwanzig Stunden nach der Sitzung schaffte ich langsame Decline Flys mit 22,5-Kilo-Hanteln (eine 25-prozentige Steigerung) und insgesamt 14 Wiederholungen (eine 180-prozentige Steigerung). Unglaublich.
    Bevor man sich daran macht, die Leistung eines Muskels (gestemmtes Gewicht oder Wiederholungen) durch eine Vergrößerung zu steigern, ist es wichtig, sicherzustellen, dass der Input (das Nervensystem) richtig funktioniert. Braucht man wirklich »stärkere Muskeln« oder wird nur das Signal nicht richtig übermittelt?
    Wenn Sie Dr. Zweifinger selbst nicht aufsuchen können, beachten Sie bitte die Hinweise am Ende dieses Kapitels.
    4. Active-Release-Technik (ART).
Geheilter Bereich: Schulterrotatoren
    Dr. P. Michael Leahys Ingenieursausbildung begann mit Aeronautik bei der Luftwaffe. Seine Begeisterung für strukturelle Mechanik zeigte sich erst viel später in vollem Umfang, nämlich 1985. Es war das Jahr, in dem ART formuliert und patentiert wurde und er sein Wissen der Behandlung von Weichgewebeverletzungen widmete. Leahy, ein Veteran von 25 Ironman-Triathlons, hat seither unter anderen den olympischen Goldmedaillen-Sprinter Donovan Bailey, Gary Roberts von den NHL Toronto Maple Leafs und Mr. Universe Milos Sarcev kuriert.
    Die Grundprämisse der Methode ist einfach: Das Gewebe wird verkürzt, dann manuelle Spannung angewandt. Danach wird das Gewebe wieder verlängert oder entsprechend seinem angrenzenden Gewebe eingerichtet. »Einfach« bedeutet nicht »leicht«, wie Leahy erklärt: »Es ist so einfach wie Klavierspielen, aber auch genauso schwer.«
    Wie sieht das in der Praxis aus? Wenn Muskeln zusammenhängen oder einem Knochen anhaften, wirkt es beinahe so, als risse man die Muskeln auseinander. Siehe Abbildung rechts, hier werde ich grob behandelt.
    Erstmals wurde ich im Jahre 2001 auf ART aufmerksam und zwar durch Frank Shamrock, einen fünffachen UFC (Ultimate Fighting Champion) im Mittelgewicht.
    Bild 50
    Frank hatte seine erste ART-Behandlung im Juli 2001, nach einer akuten Verletzung der unteren Wirbelsäule während des Trainings. Er konnte nicht gehen und versprach sich nicht allzu viel:
    Ich hatte wegen Schmerzen in der unteren Wirbelsäule und der Taubheit in meinem Bein in den vorangegangenen 16 Jahren über 30 Chiropraktiker auf der ganzen Welt besucht. Seit der Trainingsverletzung vor meinem Besuch konnte ich den Kopf nicht über das Taillenniveau heben und schlief in Fötalposition auf dem Fußboden meines Wohnzimmers. Orthopäden und verschiedene andere Ärzte hatten mir stets eines von zwei Dingen gesagt: Ich müsse entweder meine Wirbelsäule richten lassen oder einfach den Schmerz einer irreversiblen Verletzung aushalten. Aus Erfahrung war ich sicher, dass ich den K1-Kickbox-Kampf, den ich für einen Monat später geplant hatte, absagen müsste.
    In vier Sitzungen zu je etwa 10 Minuten beseitigten die Ärzte in der Janzen & Janzen Sports Health Clinic im kalifornischen San José das kumulative Narbengewebe und die