Der 4-Stunden-Koerper
selten stärker ist als der Selbsterhaltungstrieb.
Bei seinen ersten Ausdauerexperimenten hatte er die Wirkung von 20-Sekunden-Sprints mit 10-Sekunden-Ruheintervallen testen wollen – das berühmte Tabata-Protokoll. 113
Brian hielt es damals offenbar für eine gute Idee, mit obszönen 16 Stundenkilometern und einer 15-Grad-Steigung auf der Tretmühle anzufangen. Nach anderthalb Minuten war er gezwungen, auf 14 Stundenkilometer und 10 Grad Steigung herunterzuschalten. Dann flog er wie erstarrt hinten von der Tretmühle wie ein Lebkuchenmann. Mit völlig verkrampften Beinen landete er auf dem Fußboden, wo er, dem Kammerflimmern nahe, über fünf Minuten lang liegenblieb. Statt ihm zu helfen, standen seine zwei Trainingspartner daneben, lachten und zeigten auf sein Gesicht. Unaufhörlich wieder riefen sie:
»Mann, das war geil, hahahahaha!«
Sehr sympathisch.
Ich kippte den Rest meines Merlots und wandte mich dem Tagesgeschäft zu.
»Also, was können Sie aus mir in acht bis zwölf Wochen tatsächlich machen?«
Ich erläuterte meine augenfälligen Handicaps, und er lehnte sich nach vorn auf seine Ellenbogen.
»Das spielt alles keine Rolle. Ich könnte Sie in acht Wochen bis zum Halbmarathon bringen. Das heißt, vorausgesetzt, Sie haben eine gewisse Grundfitness und
sind in der Lage, die fünf Kilometer in unter 24 Minuten zu laufen [also weniger als fünf Minuten pro Kilometer].«
»Was, wenn ich noch nie fünf Kilometer gelaufen bin?«
»Auch gut. Dann lasse ich Sie zuerst Intervalle laufen und baue dann darauf auf. Sie haben kein Schienbeinkantensyndrom oder einen Fersensporn, oder?«
»Nein.«
»Und wir haben zwölf Wochen Zeit?«
»Ja.«
»Nun, dann können wir Wunder geschehen lassen.«
Ein von ihm trainierter Läufer namens »Rookie« hatte nach nur 11 Wochen einen bergigen Ultramarathon von 50 Kilometern geschafft. Zuvor war Rookie nie mehr als sechs Kilometer am Stück gelaufen.
Eine andere von ihm trainierte Sportlerin, eine 43-jährige Marathonläuferin mit einer Zeit von fünfeinhalb Minuten auf den Kilometer, war zu Beginn ihres Trainings nicht einmal in der Lage gewesen, einen 400-Meter-Sprint zu bewältigen. Sie hatte einfach »nicht das Zeug dazu«, wie Brian sich ausdrückte: Sie konnte eine Laufgeschwindigkeit von viereinhalb Minuten pro Kilometer keine drei Minuten durchhalten.
Zwei Monate vor dem New York City Marathon ließ Brian sie ganze 16 Minuten Sprinttraining pro Woche machen. Dazu kamen noch vier Konditionseinheiten mit Gewichten und Freiübungen. Insgesamt trainierte sie weniger als drei Stunden pro Woche. In der Woche vor dem Marathon rief sie ihn jeden Tag an, oft weinend, weil sie das scheinbar Offensichtliche kommen sah:
»Das wird niemals funktionieren.«
Aber es funktionierte.
Sie beendete ihren Marathon nach 3 Stunden und 32 Minuten – also mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Stundenkilometern, fast 20 Sekunden besser als ihre vorherige Bestzeit. Sie wäre noch schneller gewesen, hätte sie nicht kurz vor dem Ziel angehalten, um einem anderen Läufer zu helfen.
Hätte sie nicht angehalten, wäre ihre Gesamtzeit etwa bei 3:30 gelegen, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von weit unter fünf Stundenkilometern ergeben hätte.
Mit nur 16 Minuten Training in der Woche hatte ihr Brian das nötige Rüstzeug verpasst.
Von einem hohen zu einem niederen Trainingsvolumen
Brian begann seine sportlichen Aktivitäten als Kurzstreckenschwimmer. Selbst mithilfe seines Trainers gelang es ihm nicht, mehr als 100 Meter zu schwimmen, ohne dass er anschließend aus dem letzten Loch pfiff.
Ein 47-jähriger Freund, der 13-mal den Ironman geschafft hatte, überredete ihn Ende 2000 dazu, an einem Kurzstrecken-»Sprint«-Triathlon teilzunehmen. Dieser
war kurz und knackig: 500 Meter Schwimmen, 21 Kilometer Radfahren und 5 Kilometer Laufen.
Diesmal pfiff er nicht aus dem letzten Loch, unter anderem deshalb, weil er nicht gegen Schwimmspezialisten antrat. Zu seiner eigenen großen Überraschung fand er derart Gefallen daran, dass er sich am nächsten Tag zum Ironman anmeldete. Es hatte ihn gepackt.
Brian erklomm die Ränge der Triathlon-Welt zunächst mit einem Rennen über olympische Distanz, dann einem halben Ironman und schließlich dem kanadischen Ironman. Wie seine Konkurrenten trainierte er 24 bis 30 Stunden in der Woche, darunter etwa 13 Kilometer Schwimmen, mindestens 320 Kilometer Fahrradfahren und mindestens 80 Kilometer Laufen. Im Extrem-Ausdauersport war dies ein
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