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Der 4-Stunden-Koerper

Der 4-Stunden-Koerper

Titel: Der 4-Stunden-Koerper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Ferriss
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Side-Split und ist etwa so bequem, wie sie klingt.
    Der Ort hingegen, der am Wasser gelegene Stadtteil Presidio in San Francisco, war wesentlich angenehmer. Die Hügel um uns waren mit roten und weißen Häusern gesprenkelt, ehemaligen Offiziersquartieren. Über dem ausgedehnten Rasen von Crissy Field vertrieb die Sonne den Nebel, der die Golden Gate Bridge einhüllte. Kellys nächster Kunde hatte sich verspätet, und unsere Konversation schweifte von der Stoffwechselkonditionierung zu Kellys Definition von »athletischer Bereitschaft«.

    Bevor wir Letzteres erörterten, unterbrach Kelly das Gespräch und stellte eine Frage: »Was würden Sie für Ihren RKC-Reißtest tun?«
    Das »Reißen« ist eigentlich eine olympische Disziplin im Gewichtheben, bei der man das Gewicht in einer einzigen sauberen Bewegung vom Boden über den Kopf »reißt«. Stoßen ist dabei nicht gestattet. Der RKC-Reißtest war Teil einer Zertifizierung mit russischen Kugelhanteln (RKC – Russian kettlebell certification, Anm. d. Übers.). Wir mussten innerhalb von maximal fünf Minuten mit einer 24-Kilo-Kugelhantel x-mal Reißen (wobei X das Körpergewicht in Kilogramm ist). Dabei durften wir das Gewicht nicht auf den Boden bringen. Ich war fertig.
    »Ich wiege 77 Kilo und habe meine 77 Wiederholungen in 3 Minuten und 30 Sekunden geschafft«, antwortete ich.
    »Okay. Hier machen wir solche Sachen als Trainingsabschluss.«
    Ich war nicht ganz sicher, wohin das Gespräch steuerte.
    Er fuhr fort:
    »Ich bin gerade 36 geworden, aber ich schaffe immer noch locker 300, kann einen Backflip aus dem Stand machen und bin gerade den Quad Dipsea Ultramarathon gelaufen, der auf über 45 Kilometern Länge einen Höhenunterschied von fast 5600 Metern hat. Ich war danach aber nicht außer Gefecht wie die meisten Läufer, sondern konnte bereits eine Woche später wieder mit vollem Einsatz Gewichte heben und hart trainieren.«
    Vielleicht hatte er mit seiner Weichei-Bemerkung nicht ganz unrecht. Dann ließ er die Bombe platzen:
    »Und zur Vorbereitung bin ich nie weiter als fünf Kilometer gelaufen.«
    Mir stand der Verstand still:
    »Warten Sie … Moment mal. Wie zum Teufel haben Sie dann trainiert?«
    »Ich bin immer wieder 400 Meter gelaufen.«
    Plötzlich hatte er meine volle Aufmerksamkeit.
    Wie viele andere Menschen auch, hatte ich mir ausgemalt, in diesem Leben noch einen Marathon zu laufen. Nicht laufend und gehend, sondern laufend.
    Nicht weil ich denke, dass es einem gut tut. Das tut es nicht. Diese grausamen 42 Kilometer eines gottverdammten Marathons zu bezwingen war jedoch ein Punkt auf meiner Liste von Dingen, die ich unbedingt noch erledigen wollte – neben Fallschirmspringen (abgehakt), am Great Barrier Reef zu schnorcheln (abgehakt) und einer Verabredung mit Natalie Portman (bitte ruf an).
    Leider sah ich nach ein bis zwei Kilometern Joggen bereits aus wie ein betrunkener Orang-Utan und fühlte mich auch so. Längst hatte ich mich damit abgefunden, dass ich einen Marathon wohl nicht mehr laufen würde.
    Aber 400 Meter? Selbst ich konnte das schaffen.
    Kelly grinste, machte eine Pause, um sich an meinem verwirrten Blick zu weiden, und reichte mir dann den Heiligen Gral:
    »Sie müssen mit Brian MacKenzie sprechen.«

    Zweieinhalb Wochen später
    Ich sah sofort, dass Louisville, Colorado, nicht nett zu mir sein würde.
    Mein erstes Glas Wein war erst halbleer, doch durch die Höhe von 1600 Metern kam es mir vor wie mein drittes.
    Die Uhr zeigte 22 Uhr und in der Lobby des Aloft Hotels wimmelte es von jugendlichen Schwarzkitteln und Ravern, die sich auf das gigantische Caffeine Music Festival am nächsten Abend einstimmten. Plateausohlen und buntes Leder tummelte sich in Bar und Lounge und vertrieb sich die Wartezeit mit Facebook und SMS. Dazwischen hörte man immer wieder Rufe wie »He, Kumpel« und geflüsterte Worte wie »Hast du vielleicht ein bisschen E?«.
    Ich bewunderte gerade die Gesichtpiercings, als sich ein 1,85 Meter großer und 87 Kilo schwerer Punkrocker auf dem roten Plüschsessel vor mir niederließ. Er sah aus wie eine Kreuzung aus Henry Rollins, Keanu Reeves und einem Marine-SEAL.
    Brian MacKenzie.
    Lächelnd schüttelte er mir die Hand und ich bemerkte, dass er sich das Wort UN-SCARED (furchtlos) über beide Hände hatte tätowieren lassen, einen Buchstaben auf jedem Finger, die Daumen ausgenommen. Innerhalb weniger Minuten wurde klar, dass wir beide dieselbe Art von Begeisterung teilten. Diese absurde Begeisterung, die nicht

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