Der 4-Stunden-Koerper
solche Schaubilder dann vermitteln.
Dann wird es interessanter. Wenn Sie Ihr Medikament mit dem Medikament eines Konkurrenten vergleichen müssen – um Ihr Gesicht zu wahren oder weil die Regulierungsbehörden oder Gesetze es vorschreiben –, können Sie einen raffinierten Gaunertrick probieren: Verwenden Sie beim Medikament der Konkurrenz nur eine unzureichende Dosis, damit es den Patienten nicht besser, sondern schlechter geht; oder verabreichen Sie eine überhöhte Dosis, damit die Patienten unter vielen Nebenwirkungen leiden; oder verabreichen Sie das Konkurrenzprodukt falsch (vielleicht oral, wenn es intravenös gegeben werden sollte, in der Hoffnung, dass die Leser der Studie es später nicht merken); oder erhöhen Sie die Dosis viel zu schnell, damit die Patienten schlimme Nebenwirkungen spüren. Ihr Medikament wird dann im Vergleich glänzend dastehen. Sie denken, so etwas würde nie passieren? Wenn Sie den Hinweisen am Ende folgen, werden Sie Studien finden, bei denen Patienten ältere Antipsychotika in deutlich höherer Dosierung verabreicht wurden (wodurch die Medikamente der neueren Generation in Bezug auf die Nebenwirkungen deutlich besser abschnitten), und Studien mit SSRI-Antidepressiva, deren Dosierung man als ungewöhnlich bezeichnen könnte, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ich weiß. Das wirkt unglaublich.
Bei den Nebenwirkungen gibt es noch einen anderen Trick: Sie können einfach nicht danach fragen, oder – da man in diesem Bereich raffiniert sein muss – Sie können darauf achten, was Sie fragen. Hier ein Beispiel: Bei SSRI-Antidepressiva sind Nebenwirkungen im sexuellen Bereich relativ häufig, darunter auch Anorgasmie. Um eins klarzustellen (und ich bemühe mich, dies so neutral wie möglich zu formulieren): Ich mag das Gefühl eines Orgasmus wirklich . Es ist mir wichtig, und nach dem, was ich so mitbekomme von der Welt, ist es auch anderen Leuten wichtig. Es
wurden schon Kriege geführt, bei denen es im Grunde nur um den Orgasmus ging. Es gibt Evolutionspsychologen, die einen davon überzeugen wollen, dass die Entwicklung der menschlichen Sprache und Kultur größtenteils vom Streben nach dem Orgasmus vorangetrieben wurde. Diese Empfindung einzubüßen erscheint mir als starke Nebenwirkung, bei der man nachhaken sollte.
Dennoch rangiert das gemeldete Auftreten einer Anorgasmie bei Patienten, die SSRI nehmen, zwischen 2 und 73 Prozent, je nachdem, wie die Frage formuliert wurde: als beiläufige Frage nach Nebenwirkungen mit offenem Ausgang oder als sorgfältige, ausführliche Erkundigung. Eine Studie zu SSRI mit 3000 Patienten führte in ihrer Tabelle mit 23 möglichen Nebenwirkungen einfach keine sexuellen Nebenwirkungen auf. Den Wissenschaftlern zufolge waren 23 andere Punkte wichtiger als der Verlust des Orgasmus. Ich habe die genannten Nebenwirkungen durchgelesen. Sie sind nicht wichtiger.
Aber zurück zu den eigentlichen Ergebnissen. Hier ist ein guter Trick: Anstatt eines realen Resultats wie Tod oder Schmerzen kann man immer ein »Ersatzergebnis« messen, das leichter zu erreichen ist. Wenn das Medikament beispielsweise die Cholesterinwerte senken soll, um Herzinfarkte zu verhindern, messen Sie nicht die Zahl der Herzinfarkte, sondern die gesenkten Cholesterinwerte. Das ist viel einfacher zu erreichen als eine verminderte Zahl an Herzinfarkten, das Messverfahren ist billiger und schneller, daher wird auch das Ergebnis billiger sein und positiver ausfallen. Auftrag erfüllt!
Sie haben jetzt also Ihre Studie durchgeführt, aber trotz aller Bemühungen haben Sie negative Ergebnisse. Was tun? Nun, wenn Ihre Studie insgesamt positiv verlief, aber ein paar negative Resultate hervorgebracht hat, können Sie einen alten Trick versuchen: Lenken Sie die Aufmerksamkeit nicht auf die enttäuschenden Daten, verstecken Sie sie in einem Schaubild. Das erwähnen Sie dann kurz im Text, ignorieren es aber, wenn Sie Ihre Schlussfolgerungen ziehen. (Ich bin darin so gut, dass es mir selbst schon fast Angst macht. Liegt wohl daran, dass ich zu viele unsinnige Studien lese.)
Wenn Ihre Ergebnisse komplett negativ ausfallen, veröffentlichen Sie sie am besten gar nicht oder erst mit großer Verspätung. Genauso sind die Pharmakonzerne bei den SSRI-Antidepressiva verfahren: Sie ließen die Daten, die darauf hindeuteten, dass sie gefährlich sein könnten, in der Schublade ruhen und versteckten die Daten, die zeigten, dass die SSRI nicht besser abschnitten als ein Placebo. Wenn Sie wirklich
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