Der 4-Stunden-Koerper
am Tag zu sich …«
Diesen Satz schnappte Ray Cronise aus dem Fernsehen auf, der auf der anderen Seite des Raums lief. Er hob die Augen von seiner Tabellenkalkulation und drückte beim Festplattenrekorder die Pausetaste.
12 000 Kalorien.
Ray Cronise arbeitete seit fast 15 Jahren als Wissenschaftler bei der NASA. Zu seinem Fachgebiet zählten Biophysik und analytische Chemie. Er hatte verschiedene Missionen begleitet und an Entwicklungsprojekten teilgenommen, deren Ergebnisse die Öffentlichkeit erst in Jahrzehnten kennenlernen würde.
Doch dass er die Hälfte seines Lebens am Computer verbrachte, forderte seinen Tribut. Die ein bis zwei Kilo, die jedes Jahr heimlich, still und leise dazugekommen waren, summierten sich, so dass er bei einer Größe von 1,75 Meter 104 Kilo wog.
Mittlerweile hatte sich die Situation jedoch deutlich verbessert. Der Ray, der nun an seiner Tabellenkalkulation saß und die Augen auf das Standbild des Fernsehers gerichtet hatte, wog nur noch 94,7 Kilo. Er musste immer noch 13,6 Kilo abnehmen. Bei seinem derzeitigen Tempo würde das 18 bis 24 Wochen dauern.
Mit der Tabellenkalkulation wollte er seine Tätigkeiten vergleichen und mit dem Kalorienverbrauch pro Stunde für einen Mann seines Gewichts in Zusammenhang setzen. Er hatte keine Lust mehr, dick zu sein, und hoffte, die Zahlen würden ihm eine schnellere Lösung bieten. Doch stattdessen zeichneten sie ein hoffnungsloses Bild: Selbst wenn er einen Marathon lief, würde er nur 2600 Kalorien verbrennen, was etwa 340 Gramm Fett wären.
Wie konnte Phelps zusätzliche 9000 Kalorien am Tag verdrücken? Ray fuhr mit dem Finger über die Tabellenspalten, machte sich ein paar Notizen und resignierte schließlich. Es ergab keinen Sinn.
»Damit Phelps so viele Kalorien zusätzlich zu seinem Grundumsatz verbrennt«, erinnert sich Ray, »müsste er, ich hatte die Berechnungen ja vor mir und wusste, dass man beim Schwimmen auf Wettkampfniveau etwa 860 Kalorien in der Stunde verbraucht, über 10 Stunden am Tag im Schmetterlingsstil schwimmen. Das schafft nicht einmal er.«
Was war los? Gab Phelps beim Training für die Goldmedaille den Journalisten falsche Informationen? Wollte er Konkurrenten verwirren, die dumm genug waren, ihm nachzueifern?
Die Physik funktionierte einfach nicht.
Dann, beim Brüten über der Tabelle, ging Ray nach 15 frustrierenden Jahren plötzlich ein Licht auf:
»Es lag an der thermischen Belastung im Wasser. Wasser leitet Wärme 24-mal besser als Luft. Und Phelps verbringt drei bis vier Stunden am Tag im Wasser.«
Der Effekt ließ sich ungefähr damit vergleichen, dass man heißen Kaffee in einen Metallbecher anstatt in eine Keramiktasse gießt; der Kaffee im Metallbecher verliert viel schneller an Wärme (entsprechend verliert der Mensch Kalorien). Ray rechnete nun mit dieser neuen Variable und erstaunlicherweise ging die Rechnung dieses Mal auf.
In den folgenden sechs Wochen, vom 27. Oktober bis 5. Dezember, verlor er 13 Kilo Fett und nahm sie nie wieder zu.
Das Spiel hatte sich verändert.
Bild 17
Die ersten 12 Wochen ohne Kälte im Vergleich zu den folgenden sechs Wochen mit Kältetraining.
Von der NASA zum Mount Everest: Die Berechnung des Grundumsatzes wird korrigiert
Es schien zu schön, um wahr zu sein. Deshalb versuchte Ray, wie es sich für einen guten Wissenschaftler gehört, Beweise zu finden, die seine These widerlegten.
Bei den Studien und Untersuchungen, die er heranzog, fand er nichts, was seine Schlussfolgerung widerlegte. Ihn verblüffte jedoch vor allem, dass Wärme als Faktor beim Abnehmen fast völlig ignoriert wurde.
In der Literatur lautete die typische Gleichung schlicht: Gewichtszu- oder -abnahme = aufgenommene Kalorien – verbrauchte Kalorien. Δ Gewicht = aufgenommene Kalorien – verbrauchte Kalorien.
Das war jedoch nicht das Problem.
Das Problem war, dass sich jede Tabelle für den Kalorienverbrauch sofort auf die Aktivitäten konzentrierte. Die Thermodynamik – Thermo dynamik – war irgendwie der Wärme beraubt worden. In Rays Welt der Raumfähren und des Wiedereintritts in die Atmosphäre war Hitze das Allerwichtigste. Die Gesetze der Thermodynamik wurden von Menschen zitiert, die sie nicht verstanden.
Nehmen wir beispielsweise den ersten Hauptsatz der Thermodynamik. Einfach formuliert lautet er:
Energie kann weder geschaffen noch zerstört werden, sie ändert nur ihre Form.
Diejenigen, die den Satz falsch zitierten, beschränkten die Art und Weise, wie aufgenommene
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