Der 48-Stunden-Mann (German Edition)
Er war groß und attraktiv, sein Lächeln warm und freundlich. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen, damit er sie festhielt, bis all die kleinen Schmerzen verflogen waren. Wie wäre es wohl gewesen, wenn sie als Kind einen großen Bruder wie Craig gehabt hätte? Wahrscheinlich einfach wundervoll.
„Ich …“ Hannah gab auf. „Es geht nicht um Nick?“
„Nick?“, fragte Louise. „Nein. Aber wenn du dich mitihm an deiner Seite wohler fühlst, können wir das verstehen.“
„Wir dachten, wenn du es nur mit uns fünf zu tun hättest, wäre es für dich weniger beängstigend“, führte Travis aus und erhob sich nun auch. Wie seine anderen Brüder trug er Jeans und T-Shirt, was seinen kräftigen, muskulösen Körperbau zur Geltung brachte. „Aber vielleicht sollten wir Nick dazubitten, um dir zahlenmäßig ein wenig mehr Ausgleich zu verschaffen.“
Hannah schüttelte den Kopf. Was immer sie von ihr wollten, es ging offensichtlich nicht darum, sie mit ihrer vorgetäuschten Ehe zu konfrontieren. „Ist schon in Ordnung. Ich war etwas unsicher, aber ich glaube, ich komme allein zurecht.“
„Nimm doch Platz“, forderte Craig sie auf. Sie schob sich an Louise vorbei und setzte sich auf das mittlere Sofakissen. Kyle und Jordan hatten sich zwei Ohrensessel herangezogen, und Craig hockte sich auf den Kaffeetisch vor dem Sofa.
Er stützte die Ellbogen auf die Knie. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
„Dann fange ich mal an“, erklärte Louise. Sie setzte sich so, dass sie Hannah anschauen konnte. „Earl – dein Vater – weiß bis heute nichts von dir.“
Es überraschte Hannah, dass sie bei dieser Information einen Anflug von Enttäuschung empfand. „Warum nicht?“
„Wir reden nicht mehr miteinander. Schon seit Jahren nicht mehr. Schon bevor er sich zur Ruhe gesetzt hat und nach Florida gezogen ist. Ich war nicht sicher, was ich ihm hätte sagen sollen. Du hättest … alles noch komplizierter gemacht. Ich weiß, das ist eigennützig von mir.“
Lange sah Hannah sie nur an. Dann lenkte sie ihre Aufmerksamkeit nacheinander auf jeden einzelnen ihrer Brüder. Keiner von ihnen wagte es, ihrem Blick zu begegnen.
Einen Augenblick lang überlegte sie, was sie vor ihr verbargen, dann ging ihr schlagartig ein Licht auf. „Ihr glaubt, dass er nicht an mir interessiert ist.“
„Nein, so ist es nicht“, widersprach Louise schnell.
Craig schüttelte den Kopf. „Louise, das haben wir besprochen, bevor du Hannah überhaupt geschrieben hast.“
„Ich weiß.“ Ihre Stimme klang dünn, und sie musste sich erst räuspern, bevor sie weitersprechen konnte. „Ich bin mir nicht sicher, was Earl von dir halten wird. Ich will nicht, dass er dich verletzt. Er ist nicht gerade der einfühlsamste Mensch.“
Bis jetzt, wo ihr die Möglichkeit genommen wurde, war Hannah gar nicht bewusst gewesen, dass sie gehofft hatte, ihren Vater kennenzulernen.
„Wir waren alle der Meinung, dass es das Beste ist, damit zu warten“, erklärte Travis. „Lass dir ein paar Wochen Zeit, um alles erst einmal zu verarbeiten. Wenn du dann bereit bist, dich mit Earl in Verbindung zu setzen, geben wir dir gern seine Telefonnummer und werden dir den Weg ebnen.“
„Ich werde ihn anrufen, wenn du willst“, versprach Louise.
„Ich bin überwältigt“, gestand Hannah. „Bisher bin ich noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, mich mit ihm in Verbindung zu setzen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Sie berührte Louises Hand. „Du hast ihn geliebt.“
„Das ist lange her. Er war niemand, auf den ich mich verlassen konnte.“
„Das konnten wir alle nicht“, stellte Craig bitter fest. „Unser Vater hat sich immer damit gebrüstet, dass er jede Nacht in seinem eigenen Bett geschlafen hat. Dabei hat er die Tatsache ausgeblendet, dass er mit anderen Frauen zusammen war, bevor er in dieses Bett gestiegen ist.“
Kyle verlagerte sein Gewicht im Sessel. „Wie du siehst,bedauern wir es nicht, dass er von hier weggegangen ist.“
„Er hat nie versucht, sich mit euch zu versöhnen?“, fragte Hannah, für die es unvorstellbar war, dass ein Kind von einem Elternteil getrennt sein wollte. So viele Jahre war sie allein gewesen und hatte darum gebetet, dass jemand käme, der sich um sie kümmerte.
„Er war gewalttätig“, sagte Jordan darauf nur.
Hannah unterdrückte ein Zittern. Häusliche Gewalt hatte sie ein paar Wochen in einer Pflegefamilie erlebt, und woran sie sich am besten erinnerte, war die
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