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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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konnte.
    »Detective Mark Nelson«, sagte ich.
    »Mark, ich nehme an, Sie haben alles gehört?«
    »Ja, Sir.«
    »Sie müssen einen Bericht für Detective Hunter vorbereiten.«
    »Okay.«
    Er erklärte, dass Hunter eine Zusammenfassung der Tagesereignisse haben wolle: Was geschehen war, was wir bis jetzt wussten, wie die momentane Situation war. Die Fakten, betonte White.
    Ich hörte zu, nickte an den richtigen Stellen und hatte jede Sekunde auch das Gefühl, Mercer ebenfalls zu verraten. Ich wollte etwas tun – eine rebellische Geste der Solidarität machen –, aber damit würde ich nichts erreichen. Letzten Endes wurde ich dafür bezahlt, jede Aufgabe, die an mich weitergegeben wurde, zu erledigen, und ich zwang mich, dies nicht zu vergessen. Trotzdem sammelten sich Schuldgefühle und Frustration unter der Oberfläche. Alle Männer aus dem Wald zurückbeordert.
    Als ich auflegte, war es sehr still im Büro. Das leise Summen der Computer gab der Stille etwas Unheilvolles. Die Atmosphäre war so gespannt, als könnte die Luft es nicht mehr aushalten und würde beim nächsten kleinen Geräusch losschreien.
    Ich sah Mercer an.
    In den letzten paar Stunden hatte ich mich daran gewöhnt, ihn in einer bestimmten Haltung dasitzen zu sehen: Die Ellbogen auf die Knie oder den Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt, sah er aus, als konzentriere er sich entweder sehr auf etwas oder erlaube seinen Gedanken, abzuschweifen, und ruhe sich aus.
    Jetzt, wo es vorbei war, saß er einfach zurückgelehnt auf dem Stuhl, und die Hände ruhten locker auf den Oberschenkeln. Die Resignation auf seinem Gesicht ließ einige andere Gefühle sichtbar werden. Sicherlich Zorn, aber auch eine gewisse Erleichterung, meinte ich.
    Er erinnerte mich an meinen Vater. Als ich klein war, hatte er sich mit mir hingesetzt, um mir zu erklären, dass sein Geschäft pleitegegangen war. Ich war damals verlegen, weil ich noch so jung war und weil es das erste Mal war, dass ich meinen Vater schwach sah. Er war immer ein Fels in der Brandung gewesen, und es war schrecklich, ihn so vom Misserfolg gezeichnet zu sehen. Und das Schlimmste war, er wusste, dass ich es auch sah. Jetzt kam bei Mercer dieselbe Kombination von Alter, Schwäche und Traurigkeit zusammen.
    Im Fall meines Vaters wurde sie durch die Überzeugung eines ganzen Lebens gemildert. Man nahm an, was immer das Leben einem zuteilte, mochte es noch so schwer sein, und machte weiter.
    Mercer sah einfach besiegt aus, und das war unendlich viel schlimmer.
    »Es tut mir leid, Sir«, sagte ich. »Ich hatte mir gewünscht, dass Sie es schaffen.«
    Er starrte mich einen Moment lang an, als taxiere er mich, denke über mich nach. Sah fast durch mich hindurch. Dann beugte er sich vor und schien zu einer Erwiderung anzusetzen.
    Doch bevor er etwas sagen konnte, durchbrach ein schrilles Geräusch die Stille und schreckte uns beide auf. Sein Mobiltelefon hatte geklingelt. »Scheiße.«
    Er zog es aus der Tasche, sah auf das Display, hielt einen Moment inne und überlegte, ob er den Anruf entgegennehmen sollte. Ich wartete, doch er ließ es einfach klingeln. Der Anrufer gab nicht auf. Dreißig Sekunden später drückte Mercer auf den oberen Knopf, schaltete das Telefon ab und legte es dann auf den Schreibtisch zu seinen Papieren.
    »Meine Frau.« Er schloss die Augen.
    »Sie wollen nicht mit ihr sprechen?«, fragte ich.
    »Im Moment nicht, nein. Ich bin ja bald zu Hause.«
    Ich sah auf meine Uhr.
    »Sie ist aber spät noch auf. Oder vielmehr früh.«
    »Sie macht sich Sorgen um mich. Aber alle machen sich ja Sorgen um mich, oder?
    Ich dachte darüber nach. Dies und der Eindruck, den ich gerade gehabt hatte, erinnerten mich daran, dass ich meinen Eltern nicht auf jene SMS von gestern Abend geantwortet hatte.
    Sie machten sich auch Sorgen um mich, obwohl es nicht nötig war. Ich wusste, wie lästig das sein konnte.
    »Die Leute …«
    Ich kam mir dumm vor, weil er es nicht so sehen würde, jedenfalls jetzt nicht.
    »Die Leute sind Ihnen zugetan«, sagte ich.
    »Nein. Die Leute machen sich Sorgen. Und wissen Sie, was? Ich mache mir auch manchmal Sorgen um mich. Ich bin doch derjenige, der damit klarkommen muss. Das scheinen die Leute zu vergessen. Aber es ist zwei Jahre her, und ich muss doch irgendetwas tun. Ich kann nicht ewig nur zu Hause rumsitzen. Daran scheint auch niemand zu denken. Na ja …« Er schaute auf den Bildschirm. »Fast niemand.« Ich wollte ihm antworten, schwieg dann jedoch. Fast niemand,

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