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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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ihr zugewinkt, habe ihr zugerufen, alles würde wieder gut, sie müsse nur schwimmen. Aber das Meer war zu aufgewühlt. Eben war sie noch da, und im nächsten Augenblick war sie verschwunden.«
    Ich erinnerte mich an das letzte Mal, als ich sie sah. Ein schwarzes Y, das in den Wellen auftauchte. Danach waren da nur noch die Wogen, und ich hatte mein »es wird alles gut« ins Nichts gerufen.
    »Sie sind nicht reingegangen?«, fragte Scott.
    »Ich wollte«, sagte ich. »Ich habe Anstalten gemacht, reinzugehen. Aber ich habe mich nicht getraut. Ich hatte zu große Angst, noch einmal ins Wasser zu gehen. Und deshalb ist meine Verlobte ertrunken.«
    Scott starrte mich schockiert an. Ich hörte ihn langsam atmen.
    Ich lächelte, so gut es ging.
    »Ich weiß im Grunde meines Herzens, dass ich nichts hätte tun können. Ich hätte noch einmal reingehen können und wäre dann wahrscheinlich auch ertrunken. Sie konnte besser schwimmen als ich. Aber ich mache mir immer noch Vorwürfe für das, was ich nicht getan habe. Ich hätte versuchen können, sie zu retten, aber ich habe es nicht getan, weil ich zu große Angst davor hatte, selbst zu sterben. Verstehen Sie das?«
    Er nickte langsam.
    »Und das ist sozusagen das Spiel«, sagte ich. »Genauso ist der Mörder, und das tut er. Er richtet es so ein, dass man gegen zu vieles angehen muss, zu vieles zu bewältigen hat, bis nur noch der Ausweg bleibt, einfach wegzugehen. Jeder würde es ebenso machen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, was sie gedacht hat, als sie gestorben ist. Ich kann das nicht ertragen.«
    Als ich das sagte, sah Scott so verzweifelt aus, so hilflos, dass ich am liebsten alles zurückgenommen hätte. Aber wir waren jetzt mittendrin, es würde schwieriger sein, aufzuhören als weiterzumachen, bis wir auf der anderen Seite wieder herauskamen.
    Er sagte: »Ich hab sie aufgegeben.«
    Ich nickte.
    »Wahrscheinlich. Aber jetzt sind Sie in der gleichen Lage, in der ich war, als ich am Strand stand. Ihre Freundin lebt noch, Scott.«
    Eine der grundlegenden Richtlinien für die Befragung. Und diesmal glaubte ich es tatsächlich selbst.
    »Sie sind also in einer besseren Position als ich. Auf Ihre eigene Art und Weise können Sie immer noch ins Wasser gehen und sie retten. Wenn Sie es nicht tun, werden Sie damit leben müssen, alle werden Verständnis dafür haben. Aber bitte machen Sie nicht den gleichen Fehler, den ich gemacht habe. Sie würden nicht im Einklang mit sich leben können. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Er klang traurig, als er wieder flüsterte: »Ich hab sie aufgegeben.«
    Ich beugte mich vor und faltete die Hände. Wenn es passieren würde, dann jetzt.
    »Woran erinnern Sie sich?«
    Die Frage stand einen Moment im Raum, und das einzige Geräusch war das leise Piepsen von Scotts Puls auf dem Monitor neben dem Bett. Er war jetzt ganz ruhig.
    »Er hat mir etwas gezeigt. Ein Blatt Papier.«
    »Im Wald? Sie waren in einem alten Steingebäude, und er hat lange mit Ihnen gesprochen. Und da hat er Ihnen dieses Blatt gezeigt?«
    »Ich glaube ja.«
    »Haben Sie es gelesen?«
    »Ich wollte nicht. Aber er hat mich gezwungen.«
    »Was war es?«
    »Es war eine E-Mail.« Er holte tief Atem. »Sie hatte eine Affäre mit Kevin Simpson. Ihr früherer Geschäftspartner. Es hatte etwas damit zu tun.«
    »Aha.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das wussten Sie schon, oder?«
    »Nein. Wir wussten, dass sie einige Zeit in Simpsons Haus verbracht hat. Ich wollte es Ihnen vorher nicht sagen. Der Mann, der Sie entführt hat, hat mit Kevin Simpson dasselbe gemacht. Er wurde gestern Morgen ermordet.«
    »Gut.«
    Ich antwortete nicht.
    Auch Scott sagte nichts. Sein Gesicht war merkwürdig ausdruckslos geworden, doch es schien ihm schwerzufallen, diesen Ausdruck beizubehalten, und er drohte sich in etwas anderes zu verwandeln. Zorn? Kummer? Selbstmitleid? Ich wusste es nicht.
    Mach weiter.
    »Er hat Ihnen also diese E-Mail gezeigt«, sagte ich. »Was ist dann passiert?«
    »Ich habe ihm gesagt, ich gebe auf«, sagte er. »Einfach so. Ich gebe auf. Ich habe es immer wieder gesagt, damit er es versteht und aufhört, mir wehzutun.«
    Ich nickte. »Und dann?«
    »Er … hat mich gehen lassen.« Scott schniefte. »Oh Gott, er hat mich einfach gehen lassen. Einfach so. Ich hab sie zurückgelassen.«
    Innerlich versuchte ich, ihn anzutreiben, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben.
    »Er hat Sie losgebunden? Woher wussten Sie, wohin Sie gehen mussten?«
    »Nein.« Scott runzelte die Stirn.

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