Der 50-50 Killer
lassen, aber wenn Eileen sie mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete, gab ihr das auch Einblick in seine innere Befindlichkeit. Dies hier waren die Dinge, die ihn beschäftigten und um die seine Gedanken kreisten.
Und wo war sie? Wo war Platz für seine Frau?
Die Antwort war, dass es für sie keinen Platz gab, nicht an der Wand selbst. John hatte die zwei Seiten seines Lebens fein säuberlich getrennt gehalten, und deshalb standen zwei Bilder auf dem Schreibtisch neben dem Computer, damit Eileen nicht in seiner Arbeitswelt unterging. Das erste Bild war ein Abzug des Bildes von unten, des Fotos von ihrem Hochzeitstag. Das zweite daneben war von ihr allein, vor nicht allzu langer Zeit aufgenommen. Ich habe dich damals geliebt, schien er zu sagen. Die Zeit ist vergangen, und ich liebe dich immer noch.
Sie blinzelte ein paar Tränen weg, nein, tu’s nicht, und schaute wieder auf die Wand.
Die neuesten Blätter waren auf der rechten Seite dazugekommen. Hier fand sie ein kleines Foto von Andrew Dyson, dem Mitarbeiter, den ihr Mann verloren hatte und dessen Ermordung für ihn der Wendepunkt gewesen war. Daneben hatte John die Rede gehängt, die er bei Andrews Beerdigung hatte lesen wollen, in jenem Moment, als schließlich alles in sich zusammenstürzte.
Ich versinke in Schlaf und bin gewiss,mein Schlummer wird nicht gestört.Und man wird meiner gedenken.Obwohl ich alles vergessen und hinter mir lassen mag,wird dieses Leben weitergehenin den Gedanken und Taten derer,die ich geliebt habe.
Samuel Butlers Grabschrift
Eileen las es noch einmal und konzentrierte sich auf die drei letzten Zeilen.
Obwohl ich alles vergessen und hinter mir lassen mag, wird dieses Leben weitergehen in den Gedanken und Taten derer, die ich geliebt habe.
Dies waren Worte, die John sich zu Herzen genommen hatte. Sie hatte den Kummer gesehen, den er wegen des damaligen Geschehens immer noch mit sich herumtrug. Und seine Arbeit war ihm so wichtig. Es war offensichtlich, wie angespannt und frustriert er in den letzten zwei Jahren wegen seiner Arbeitsunfähigkeit gewesen war. Während er sich erholte, hatte sie ja gesehen, wie lustlos er im Haus umherging. Selbst am Anfang, als sie sich noch vormachen konnte, dass er nie wieder in seinem Beruf arbeiten würde, hatte sie schon gewusst, dass ihr Mann bereits die Gitterstäbe ahnte, die sich ihm in den Weg gestellt hatten. Die Barriere zwischen Johns Wesen und seiner zerstörten Leistungskraft. Und diesem schrecklichen Menschen da draußen, der Andrew und ihm dies angetan hatte.
In den letzten zwei Jahren hatten diese Gitterstäbe einen Schatten der Freudlosigkeit auf ihn geworfen, und nach einer gewissen Zeit hatten nur Eileens Ängste sie an Ort und Stelle gehalten. Weil sie ihn liebte, hatte sie sich erweichen lassen, ihm die Grenzen nach draußen wieder zu öffnen, nachdem er versprochen hatte, nicht zu weit wegzugehen. Und jetzt, als dieser Mann wieder aufgetaucht war, hatte John es doch getan. War sie so blind, wieso war ihr nicht klar gewesen, dass es unvermeidlich war? Er war ihr Mann, sie kannte seine Art. Früher hatte sie ihn geliebt, weil er so engagiert war, so hart arbeitete und sich dem Ziel verpflichtet hatte, den Menschen zu helfen. Sie zu retten.
Jetzt, nach seinem Zusammenbruch, waren es genau diese Charakterzüge, die sie mit großer Angst erfüllten. Denn was wäre, wenn es wieder geschah?
Eileen setzte sich abermals auf den Sessel und schloss die Augen.
Sie hätte wissen müssen, dass es immer wieder darauf hinauslaufen würde. Als sie von John verlangte, was sie von ihm gefordert hatte, hatte sie damit eigentlich versucht, ihn davon abzuhalten, der Mann zu sein, den sie all die Jahre geliebt hatte. Er hatte versucht, für sie dieser neue, andere Mensch zu sein, doch das war unmöglich. Und dieser Gegensatz, dieser Zwiespalt zwischen dem, was sie beide jetzt von ihm brauchten, trieb sie auseinander. Im Augenblick erschien es ihr unüberwindbar. Sie konnte dies nicht ertragen.
So saß Eileen eine Weile mit geschlossenen Augen auf seinem Sessel, fuhr mit dem Finger langsam an ihrer Unter lippe entlang und wusste nicht, was sie tun sollte. Es war, als ob er nur ein Pünktchen am dunklen Horizont war. Sie hatte zu große Angst, um weiter zuzusehen, aber was anderes blieb ihr übrig? Er hatte ihr Leben mitgenommen, ohne ihre Zustimmung.
Also gut, John, dachte sie. Wenn es das ist, was du brauchst … Sie saß noch eine Weile dort und dachte nach. Und dann
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