Der 50-50 Killer
schon mitkommen.«
Er sah mich einen Moment an. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte ich seine ungeteilte, volle Aufmerksamkeit.
»Danke, Mark.«
»Gern geschehen«, sagte ich. »Passen Sie auf sich auf.«
Aber er war schon weg.
Ich hatte das Fenster minimiert und wollte das letzte Gespräch mit Scott oder jedenfalls das letzte, das ich heute Nacht mit ihm geführt hatte, ins Intranet stellen. Weitere würden in den nächsten paar Tagen folgen, aber ich hoffte, dass ich dabei Gelegenheit haben würde, ein bisschen freundlicher mit ihm umzugehen. Und bis dahin würden wir auch Jodie gefunden haben.
Es liegt nicht mehr in deiner Hand, hatte ich gedacht.
Und jetzt war es wirklich so, aber ich wusste, dass die Erleichterung, die ich spürte, nicht nur darauf zurückzuführen war.
Als ich mit Scott gesprochen hatte, war das wie eine Beichte gewesen; ich hatte mich von einer Lüge befreit, die meine Seele schon zu lange belastet hatte, und danach fühlte ich mich frei. Einesteils tat es immer noch weh, aber zumindest war ich jetzt von der Last befreit, die mich niedergedrückt und meinen Schmerz noch vergrößert hatte. Wenigstens kam jetzt ein bisschen Luft an diese Wunde.
Ich versuchte, mir Lise vorzustellen, doch es gelang mir immer noch nicht richtig. Ihr Gesichtsausdruck blieb undeutlich. Doch endlich konnte ich hoffnungsvoll an das denken, was ich dort vielleicht sehen würde. Ich konnte mir ausmalen, dass sie vielleicht lächeln würde.
Alle paar Sekunden flimmerte der Bildschirm, und die Kreise bewegten sich einen Bruchteil eines Zentimeters.
Noch nicht einmal die Hälfte des Weges war zurückgelegt. Ich brauchte etwas, um mich abzulenken, und las die E-Mails, die Greg auf Scotts und Jodies Computer gefunden hatte.
Wegen meiner Verbindung zu Scott war es irgendwie traurig und sogar peinlich, dass diese intimen Einzelheiten so öffentlich bekannt wurden. Persönliche Gedanken und Mitteilungen – alles war jetzt einfach Beweismaterial. Aber sie waren wichtig für uns. Die E-Mails wiesen auf eine Verbindung zwischen Jodie und Kevin Simpson hin und gaben uns Einblick in die Beziehung von Scott und Jodie. Ihre privaten Probleme waren von unerlässlicher Wichtigkeit für den Fall.
Die Beziehung war das Opfer.
Ich klickte die E-Mails an und las eine nach der anderen.
Die erste war von Kevin, vorsichtig formuliert und freundlich.
Wollte nur wissen, wie’s dir geht, schrieb er. Es ist ein komisches Gefühl, dass du einfach ganz aus meinem Leben verschwunden bist. Ich verstehe es, aber trotzdem ist es merkwürdig. Es ist in Ordnung, wenn du nicht antworten willst oder kannst.
Der Inhalt der Mail gefiel mir, was vielleicht einfältig war. Die Nachricht war vor etwas mehr als einem Monat geschickt worden und erweckte den deutlichen Eindruck, dass hier jemand nach einer langen Pause wieder Kontakt aufnahm. Natürlich spielte es keine Rolle, ob die Affäre lang oder kurz gewesen war, aber trotzdem fand ich es wegen Scott besser, dass sie nicht die letzten zwei Jahre angedauert hatte.
Als ich auf das Datum schaute, sah ich, dass Jodie erst nach einer Pause von über einer Woche geantwortet hatte. Ich stellte mir vor, wie sie in dieser Zeit überlegt hatte, ob sie die E-Mail beantworten oder die Dinge einfach auf sich be ruhen lassen sollte.
Mir geht’s gut, schrieb sie schließlich. Ich komme zurecht. Das Übliche, nichts Aufregendes. Aber ich hasse den Job. Was macht übrigens »unsere« Firma? Haha.
CCL, das war die Firma, die sie zusammen gegründet hatten und von der Jodie schließlich weggegangen war, um ihre Beziehung zu Scott zu retten. In den nächsten paar E-Mails ging es hauptsächlich darum, und sie sprachen über die Dinge, die sie beide nicht mitbekommen hatten. Der Firma ging es gut, teilte Simpson ihr mit.
Ich habe jetzt sechzehn Mitarbeiter. Kannst du das glauben? Ich bin Manager! Bestimmt weißt du noch, dass ich nicht einmal meine eigenen Angelegenheiten managen kann.
Zu Jodies Ehrenrettung muss man sagen, dass ihre Antworten so nett wie möglich waren, obwohl es ihr sicher wehgetan haben musste, zu hören, dass er die Firma ohne sie erfolgreich führte. Vielleicht versuchte sie einfach, sich zu beruhigen.
Ich bin stolz, dass du solchen Erfolg hast, schrieb sie. Obwohl es natürlich noch besser gegangen wäre, wenn ich dabei gewesen wäre …
Ich wollte nie, dass du weggehst, antwortete er. Ich habe dich gebeten, es nicht zu tun, weißt du noch? Eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher