Der 50-50 Killer
heruntergebrannt, aber ein Bündel in der Mitte brannte noch. Sie kauerte sich daneben und wühlte vorsichtig an den Rändern in der Asche.
Sie nahm ein Stück Holz auf und warf es zur Seite. Dann ein zweites.
Dies hier würde gehen. Es war so dick wie ihr Handgelenk und etwa einen halben Meter lang. Stabil und spitz. Das Ende war rußig, aber an manchen Stellen glühte es rot. Benzin, dachte sie.
Da war es, durch eine der Steinsäulen vor den Flammen geschützt. Sie ging darum herum und hob den Kanister hoch. Halb voll.
Da erblickte Jodie ihn. Sie erstarrte.
Der Mann mit der Teufelsmaske stand zur Linken zwischen den Bäumen, ungefähr zehn Meter entfernt. Er hielt das Messer in der Hand und starrte sie an. Trotz der Maske konnte sie erkennen, dass er verblüfft war, sie frei hier draußen zu sehen.
Sie stand langsam auf. Das Benzin in der einen Hand, den schwelenden Ast in der anderen. Sie musste beide eng nebeneinander halten, es war schwierig, wegen der Handschellen.
Er sagte nichts, sondern machte einen zögernden Schritt auf die Lichtung hinaus. Sie wich entsprechend einen Schritt in Richtung der anderen Steinhütte zurück.
Lauf weg.
Nein. Dafür war es zu spät. Sie könnte niemals schneller laufen als er.
Und was immer auch geschehen würde, nach allem, was sie getan hatte, würde sie Scott nicht verlassen.
4. Dezember
50 Minuten bis Tagesanbruch
6:30 Uhr
Mark
Ich öffnete das Foto, das von der Wand in Carl Farmers Haus gemacht worden war, und zog das Fenster neben das andere Bild, das von dem Spinnennetz in Kevin Simpsons Wohnung. Das Erste, was mich anzog, war das Gedicht.
In der Zeit zwischen den Tagenverlort ihr den betrübten Hirten der Sterne.Der Mond ist gegangen,und die Wölfe des Alls kommen näher,werden wagemutigund holen sich die Schafe seiner Herde –eins nach dem andern.
Vorhin hatte ich mich nach dem geistigen Umfeld gefragt, in dem er lebte, und versucht, mir vorzustellen, wie er die Welt sah und welcher geistige Filter ihn dazu brachte, menschliche Beziehungen in solche zerfetzten Objekte zu verwandeln.
Das Gedicht an der Wand hatte noch immer nicht als Werk eines Lyrikers identifiziert werden können, deshalb nahmen wir vorerst an, dass der 50/50-Killer es selbst geschrieben hatte. Als solches war es eine der wenigen Möglichkeiten, sich Einblick in seinen Geisteszustand zu verschaffen.
Ich starrte die Worte an. Überall um sie herum waren die Spinnennetze wie Trophäen an die Wand gemalt.
Die Wölfe des Alls.
Offensichtlich lag dem Gedicht ein religiöses Element zugrunde, allerdings weit entfernt von jeder konventionellen Religion. Und dann die Teufelsmaske, dachte ich. Er benutzte sie nicht nur, um seine Opfer zu erschrecken oder seine Identität zu verbergen, sondern wegen der Bedeutung, die sie für ihn selbst hatte.
Ich überlegte, sah er sich selbst als Dämon? Als eine kalte, berechnende Kraft des Bösen?
Er studierte die Paare so lange. Er hörte ihnen zu, beobachtete sie und arbeitete sorgfältig seine Zeichnungen aus. Er machte Pläne.
Das hier sind seine Notizen.
Er holte sie aus der Herde heraus, einen nach dem andern. Wenn er sie endlich aufsuchte, ging er genauso systematisch vor. Er sprach ruhig und sanft mit seinen Opfern, beruhigte sie auch dann noch, wenn er ihnen Schnitt- und Brandwunden beibrachte. Keine Emotionen. Er zog keinen unmittelbaren Genuss aus der Folter und dem Schmerz. Es gab kein sexuelles Element. Ihn interessierten die Menschen nicht. Eigentlich attackierte er weniger sie als vielmehr die Beziehung, die sie verband, und die Methoden, die er einsetzte, waren nur Mittel zum Zweck, um von ihnen zu bekommen, was er wollte.
Ich starrte auf den Bildschirm.
Um von ihnen zu bekommen, was er wollte.
Viele der Entwürfe, an denen er gearbeitet hatte, selbst die letzten Versionen der Spinnennetze, waren vollkommen und intakt. Die Linien waren nicht unterbrochen, es gab keine Querstriche oder verschmierte Stellen. Doch wenn er mit seinen Opfern fertig war, waren die Zeichnungen zerstört. Und so nahm er ihre Beziehung nicht mit sich fort, sondern ließ sie zerbrochen dort an der Wand hängen. Was er mitnahm, war die Differenz zwischen den beiden.
Er nahm ihnen die Liebe.
Ich starrte weiter auf den Bildschirm und hoffte, die Lösung zu finden.
Das war der Grund für die Möglichkeit, zu wählen. Durch die Folter wurde ein Partner eines Paares gezwungen, den anderen aufzugeben. Und dann wurde dieser körperlich und
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