Der 50-50 Killer
war. Es kam ihr vor, als werde ihr die Lunge aus der Brust geschlagen, und sie versuchte zu schreien, konnte aber nicht. Schmerz. Panik – das brennende Holz lag zwischen ihnen und versengte eine Seite ihres Gesichts. Und dann hatte sich der Mann plötzlich zur Seite geworfen. Das brennende Holz verschwand mit ihm.
Sie lag vielleicht eine volle Sekunde lang da, völlig benommen von dem Aufprall und der Verbrennung. Dann – weiter! – raffte sie sich auf und rollte sich in die entgegengesetzte Richtung. Ein paar Zentimeter Sicherheit. Aber der Mann wankte über die Lichtung, weg von ihr.
Seine Vorderseite stand in Flammen.
Der Mann schlug auf seine Kleider ein, klatschte wild auf das im frühen Morgenlicht hellgelbe Stickmuster aus Flammen. Aber das Feuer war zu stark. Seine Ärmel brannten, seine Maske, sein Haar. Er schrie. Das hatte sie also mit ihm gemacht, und sie war froh darüber. Sein Haar brannte wie ein Kerzendocht.
Jodie stand auf.
Selbst jetzt, wo er in Flammen stand, hatte der Mann noch sein Messer. Sie hatte gar nichts.
Er ließ sich auf die Knie fallen, drückte sich in den Schnee und rollte hin und her. In der Morgenluft zischte und knisterte es. Rauch stieg von seinem Körper auf, als er die Flammen löschte.
Lauf.
Nein.
Stattdessen ging sie schwerfällig zu dem Feuer in der Mitte der Lichtung hinüber und trat gegen eine der Steinsäulen. Nichts, also trat sie noch einmal fester dagegen. Der Mann hatte sich auf die Hände und Knie hochgestemmt und brüllte vor Wut und Schmerz. Noch ein letzter Tritt, und alles stürzte ein. Metall quietschte, eine Wolke aus Asche, Staub und hellen orangefarbenen Funken stieg in die Luft und wärmte sie.
Du kannst mich mal, dachte sie und ergriff einen der Steine.
Er hatte ungefähr die Größe eines Backsteins. Etwa genau so schwer.
Der Mann versuchte, auf die Beine zu kommen, schaffte es aber nicht. Er fiel auf die Ellbogen.
Jodie stolperte zu ihm hinüber, den Stein gegen die Brust gepresst. Dieser Mann würde niemandem mehr wehtun. Nicht ihr, nicht Scott. Er würde niemanden mehr in den Wald entführen und quälen, und er würde für alles bezahlen, was er heute Nacht getan hatte.
Für alles würde er bezahlen.
Sie hob den Stein hoch, hielt ihn dort …
»Warte!«
… und ließ ihn schwer auf seinen Hinterkopf herunterkrachen. Sie spürte den Aufprall mehr, als dass sie ihn hörte: spürte den Rückschlag in ihren Armen und sah im Geist vor sich, wie sein Gehirn in seinem geborstenen Schädel schwappte. Er lag sofort flach im Schnee, schlaff, leer und leblos. Es war kein Blut zu sehen.
Noch mal – damit du sicher bist.
»Halt!«
Wer redete da?, dachte sie. Plötzlich packten sie Hände und zogen sie weg. Sie kämpfte gegen sie an, drehte sich um und trat nach ihnen. »Lasst mich los!«
Doch sie waren zu stark, jemand legte die Arme um sie, zog sie in eine ungestüme Umarmung und hob sie hoch. Der Stein fiel in den Schnee.
»Ist ja gut«, sagte jemand. »Ist schon in Ordnung. Wir sind von der Polizei.«
Sie trat weiter um sich, als man sie über die Lichtung zurücktrug, und warf wild den Kopf hin und her. Durch ihre Tränen sah sie einen Mann in einem riesigen schwarzen Mantel, der sich neben den Mann hinkauerte, und sie wandte schnell das Gesicht ab. Auf der anderen Seite der Lichtung waren noch mehr Männer.
Polizisten. Einer von ihnen kam mit einer großen Decke auf sie zu.
Beruhigen Sie sich.
Der Mann hinter ihr setzte sie sanft ab und nahm dann die Decke von dem anderen Polizisten. Sie zitterte immer noch, aber sie ließ zu, dass er ihr die Decke um die Schultern legte und sie vorn zusammenzog. Dann drehte sie sich um und sank gegen ihn.
Er hielt sie fest und sagte leise, beruhigende Worte zu ihr, die sie nicht richtig hörte.
Der Mann bei der Leiche sagte: »Das ist er.«
Der Polizist hielt sie noch fester. Wäre er nicht gewesen, dachte Jodie, läge sie jetzt am Boden. Aber zugleich zitterte ihr Körper immer noch unter der Wirkung des Adrenalins.
»Scott!«, erinnerte sie sich plötzlich und rückte ein wenig von ihm ab.
»Es ist okay.«
Er ließ sie los und sah in ihr Gesicht hinunter. »Scott ist in Sicherheit. Im Krankenhaus. Er hat uns geholfen, Sie zu finden.«
Jodie war verwirrt. Im Krankenhaus. Wieso im Krankenhaus? Das ergab keinen Sinn. Warum hätte der Mann ihn gehen lassen sollen? Sie sah zu dem anderen Schuppen am Ende der Lichtung hin. Zum ersten Mal bemerkte sie, dass etwas daraufgemalt war. Eine Art …
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