Der 50-50 Killer
versuchte verzweifelt, sich zu erinnern.
Die Antwort kam eine Sekunde später. Sofort ging sie wieder zur Tür hinüber, kniete sich auf den kalten Stein und suchte die Ränder ab. Sie war nicht mehr an dem Loch im Holz interessiert, sondern untersuchte die gleiche Seite ein wenig weiter unten.
Die Antwort lag in dem, woran sie sich nicht erinnerte. Kein Vorhängeschloss. Keine Kette.
Und doch war die Tür irgendwie gesichert.
Dort. Sie hatte nicht in den Spalt zwischen Tür und Rahmen fassen können, um es zu finden, aber im Licht des Feuers hatte sie es im Umriss sehen können. Ein dünner schwarzer Strich verlief außen quer über die Tür. Das war das Schloss. Ihr Puls schlug schneller.
Jodie hatte sich einen Moment hingehockt und ihre Erinnerung erforscht. Sie hatte sich geduckt und war unbeholfen in den Lagerraum hineingekrochen. Was noch? Nach und nach überzeugte sie sich davon, was sie auf dem Weg hier herein gesehen hatte.
Eine Öse aus rostigem Eisendraht, die am Stein befestigt war. Ein alter schwarzer Haken an der Tür selbst.
Und die Erregung hatte sie beflügelt.
Jetzt spähte sie noch ein letztes Mal durch das Loch, um sicherzugehen, dass der Mann sich nicht bewegt hatte. Er war noch dort, schlief immer noch, wenn er denn wirklich schlief. Jetzt oder nie.
Vorsichtig … sehr vorsichtig … Jodie steckte den Ohrhörer in das Loch. Die Tür war dick, doch das Loch war groß genug, dass sie den Zeigefinger hineinstecken konnte, und so schob sie zuerst den Ohrknopf hindurch. Als er durch war, fädelte sie den Draht hinterher. Es ging langsam. Der Ohrknopf blieb an der rauhen Außenseite der Tür hängen, das Kabel warf sich zur Schlinge, aber sie fädelte es weiter durch, und schließlich löste es sich durch die Spannung und sein Eigengewicht. Der Ohrknopf klapperte ein bisschen, und sie zuckte zusammen.
Mach weiter.
Immer mehr Kabel.
Sie hielt den Stecker fest, der in den iRiver gehörte. Als das Kabel fast ganz durch war, drückte sie ihr Gesicht wieder gegen die Hand und spähte, so gut sie konnte, durch das Loch.
Der Mann war weg.
Nein!
Ungläubig starrte sie hinaus. Da war nur das Feuer, das knackte und allmählich erlosch, und die zerwühlte Decke, auf der er gelegen hatte. Es war zu spät.
Beruhige dich. Denk nach.
Okay, sagte sie sich. Fußspuren, sie müsste seine Spur im Schnee sehen können. Keine verlief in ihre Richtung, und deshalb hatte er das Kabel an der Tür bestimmt nicht bemerkt. Hätte er es bemerkt, wäre er dann nicht schon hier? Frische Fußstapfen gingen nach links zur gegenüberliegenden Seite, wo Scott festgehalten worden war. Ihrer Erinnerung nach war das auch der Weg aus dem Wald hinaus. Es führte keine neue Spur in diese Richtung. Er war also tiefer in den Wald gegangen, wohin auch immer.
Sie lauschte. Nichts.
Er ist aufgewacht, ist ein Stück in den Wald gegangen.
Langsam zog Jodie das Kabel wieder zurück. Der Ohrhörer war oval und gekrümmt, fast wie ein Haken. Wenn er in ihrem Ohr hängen konnte, dann konnte er auch …
Das Kabel blieb hängen. Sie holte tief Luft und hoffte, dass sie sich richtig erinnerte. Dass dort kein Riegel am Türrahmen war. Sie zog fester.
Einen Moment lang geschah nichts. Dann hörte sie ein leises Quietschen von altem Eisen, als der Haken sich aus seiner Öse löste. Sie drückte gegen die Tür, und sie ging auf.
Ja!
Sie stolperte hinaus. Der freie Raum war ein Schock, aber auch eine Kostbarkeit. Ihr Herz hämmerte. Jetzt, wo sie ihre Freiheit hatte, musste sie alles tun, sie zu behalten.
Die Lichtung war kleiner, als sie gedacht hatte, wahrscheinlich waren es nicht mehr als fünfzehn Meter bis zum Waldrand am hinteren Ende. Das Feuer dazwischen war auch näher als erwartet, und seine Hitze wärmte sie sofort. Rechts stand ein anderes altes Steingebäude. Links führten die Fußstapfen zu den Bäumen hinüber. Dahinter war zwischen den Bäumen alles dunkel. Der Wald war ruhig und friedlich, kaum ein Geräusch. Doch eine leichte Morgenbrise fuhr über die Flammen und ließ ihre Haut eiskalt werden.
Das Feuer knackte.
Lauf weg.
Doch sie konnte nicht weglaufen. Scott war vielleicht noch am Leben, in dem anderen Lagerraum, und selbst wenn er nicht dort war, konnte sie es nicht über sich bringen, ihn einfach hier zurückzulassen. Sie liebte ihn, und er hatte das nicht verdient. Wenn sie konnte, musste sie sich – jetzt, wo sie es konnte – um ihn kümmern.
Jodie ging zum Feuer hinüber. Viel davon war schon
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