Der 50-50 Killer
Das Licht im Flur blinkte manchmal.
Das ist eine Überreaktion. Es gab keinen Grund, zu glauben, dass ich in Gefahr sei. Und Scott hatte den Wachmann draußen vor seinem Zimmer.
Bates war wieder vor die Kamera gekommen.
»Sie sind unterwegs.«
»Okay.«
Was noch?
»Wir haben hier draußen alles unter Kontrolle.« Bates musterte mich neugierig. »Alles in Ordnung, Sir?«
»Alles in Ordnung.«
Doch das stimmte nicht.
Der eine Monitor zeigte die Unterlagen über Reardon, die ich zum Nachschlagen geöffnet hatte. Ich hatte sie durchgelesen, nach Hinweisen und Erklärungen gesucht, und mein Blick war an einem kleinen Detail hängengeblieben. Für sich genommen, mochte es bedeutungslos sein, aber es ließ mich innehalten. Im Lauf des kürzlich gelaufenen Sorgerechtsstreits hatte das Gericht gelten lassen, dass Reardon das Abhörgerät in dem Teddybären seines Kindes versteckt hatte. Als ich das las, erschien es mir zuerst wie die Bestätigung seiner Schuld.
Aber Reardon hatte geleugnet, es getan zu haben.
Ich überlegte einen Moment. Wenn er es getan hatte, würde er sich dann die Mühe machen, es abzustreiten? Ergab das einen Sinn – brachte es ihm etwas? Es war trotzdem wahrscheinlich, dass er verantwortlich dafür war, sagte ich mir. Aber der Gedanke war da: Was wäre, wenn es jemand anders gewesen war?
Und wenn nicht Reardon, wer dann?
Wir wussten, dass der 50/50-Killer Überwachungsgeräte einsetzte, um seine Zielpersonen zu erforschen, oft eine ganze Zeitlang. War es möglich, dass eines seiner Geräte gefunden und fälschlich Reardon zugeordnet worden war?
Wir wussten, dass er Beziehungen zerstörte. Bis jetzt hatte er es immer auf Paare abgesehen, doch das hieß nicht, dass er sein Spektrum nicht erweitert haben könnte.
Niemand versteht, wie sehr ein Vater sein Kind liebt, hatte Reardon gesagt.
Ich hatte eines der Fenster wieder geöffnet, die ich minimiert hatte: das Foto von der Wand, wo der 50/50-Killer all seine Notizen gemacht hatte. So viele der Zeichnungen waren ähnlich, deshalb hielten wir es für logisch, dass es sich um Entwürfe handelte. Aber dann fiel mir wieder ein, was er Kevin Simpson auf der Tonaufnahme gesagt hatte.
Falls dich das tröstet, Jodie und Scott sind eines von meinen Paaren.
Eines von meinen Paaren.
Und in genau diesem Moment piepste es auf dem Bildschirm. Ein neuer Bericht für die Hauptakte kam herein. Es summte förmlich in der Luft, als ich die Hand ausstreckte und sie anklickte.
Es war ein Bericht der Kriminaltechniker aus dem Wald. Der Lieferwagen war überprüft und schließlich für sicher erklärt worden, und Simon und sein Team durften hinein. Dies war ihr erster Bericht, und im Mittelpunkt des Bildschirms war ein Foto von dem zu sehen, was sie gefunden hatten. Auf der Innenwand des Lieferwagens war ein drittes Spinnennetz. Es waren also insgesamt drei.
Eines für Jodie und Kevin. Ein zweites für Jodie und Scott.
Das dritte für James Reardon und sein Kind?
Ich wandte mich der Kamera im Wald zu.
Nachdem seine Frau vorhin angerufen hatte, hatte Mercer sein Handy auf dem Schreibtisch liegenlassen. Ich nahm es jetzt und schaltete es an.
»Ich muss mit Mercer sprechen«, sagte ich. »Dringend. Stellen Sie mich zu jemandem da draußen von den Suchtrupps durch.«
4. Dezember
30 Minuten bis Tagesanbruch
6:50 Uhr
Jodie
Scott war am Leben.
Und lag in einem warmen Bett im Krankenhaus, dachte Jodie wehmütig.
Während sie in eine Aludecke gehüllt durch den Wald stapfte, war ihr kälter, als ihr ihrer Erinnerung nach im Lauf der ganzen Nacht gewesen war. Aber die Gewissheit, dass er lebte, fühlte sich genauso schön und wärmend an wie die Aludecke.
Der Polizist, er hieß John, hatte gesagt, sie könnten beim Feuer im Wald warten und sich von dem Hubschrauber abholen lassen, aber sie hatte den Kopf geschüttelt. Sie musste von hier weg, nicht zuletzt seinetwegen. Der Mann lag einfach da. Nach dem, was er Scott angetan hatte, war Jodie froh, dass sie ihn getötet hatte. Doch sie konnte ihn nicht länger ansehen.
Sie wusste auch, dass das viel mit dem Zittern und Beben ihres Körpers zu tun hatte. Schock. Und es kam auch daher, dass ihr langsam warm wurde. Während der Nacht war die Kälte in ihren Körper eingedrungen und hatte ihn taub werden lassen, bis sie so wenig Gefühl hatte, dass es nicht einmal mehr schmerzte. Jetzt taute sie auf und durchlief wieder das Stadium, in dem ihr eiskalt war. Schmerz und Unbehagen kehrten zurück.
Aber
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