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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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sehr wegen der Dinge, die er vorbrachte, sondern vielmehr deswegen, wie er sie sagte. Er war offensichtlich mit seinen Gedanken woanders und richtete den Blick öfter auf die Wand hinter mir als auf mich. Ich nickte einfach die ganze Zeit, wäre aber lieber hinuntergegangen, um anzufangen. Mercer wusste um meine Erfahrung und war seiner Frau zufolge davon beeindruckt gewesen – und doch meinte er, mir all die Dinge darlegen zu müssen, die ich sowieso getan hätte. Wenn er mir das Spinnennetz erklärt hätte, wäre das vielleicht nicht nötig gewesen, und …
    Seine Frau, fiel es mir ein. Halt den Gedanken fest.
    »Irgendwelche ungewöhnlichen Fahrzeuge«, kam Mercer ein wenig schärfer zum Ende. »Besucher – besonders Frauen.«
    »Ja, Sir.«
    »Gibt es sonst noch was?«
    »Ihre Frau hat angerufen, gerade bevor ich das Büro verlassen habe.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde etwas starr.
    »Sie sagte, ich solle Sie an etwas erinnern: ›Nicht vergessen.‹ Und Sie wüssten schon, was das zu bedeuten hat.«
    »Okay. Danke.«
    Ich wandte mich zum Gehen.
    »Noch eins«, sagte er. »Erinnern Sie Ihr Team daran, dass alle ihre Kameras angeschaltet haben müssen. Alles muss aufgezeichnet werden. Die ganze Zeit.«
    Die normale Vorgehensweise, an die ich mich gehalten hätte, ohne darüber nachzudenken.
    »Ja, Sir.«
    Meine Gereiztheit war mir wohl anzuhören, denn er runzelte ein wenig die Stirn. Ich erwartete einen Rüffel, doch er schien sich nicht lange genug darauf konzentrieren zu können. Das Spinnennetz rief ihn wieder, und er kehrte zu ihm zurück. Aber das Stirnrunzeln verschwand nicht.
    »Okay«, meinte er geistesabwesend.
    Ich war entlassen. Rasch ging ich die Treppe hinunter, trat dann ins Freie und verzog wegen des Regens das Gesicht. Es war vielleicht dumm, aber ich konnte meine Enttäuschung nicht unterdrücken. Man stilisiert manchmal die Dinge zu etwas hoch, was sie nicht sind. In den Wochen vor dem heutigen Tag hatte ich mir hundertmal meine erste Begegnung mit John Mercer vorgestellt, und jedes Mal erschien sie mir viel großartiger, viel mehr eine Rechtfertigung all meiner harten Arbeit, als das, was sich da oben gerade abgespielt hatte. In Wirklichkeit fühlte ich mich übergangen und recht herablassend behandelt. Nicht gerade der triumphale Moment für ein tolles Erinnerungsfoto, den ich mir erhofft hatte.
    So ist er nun mal, sagte ich mir. Es war ja nicht so, dass er nicht als schwieriger Chef bekannt gewesen wäre.
    Das Ganze erinnerte mich an das, was das Mädchen am Empfang gesagt hatte: Warten wir eine Woche ab. Das würde ich tun, natürlich würde ich das tun. Wenigstens hatte ich mich bis dahin vielleicht genug bewährt, dass ich wie der Rest des Teams behandelt wurde, oder so, als hätte ich eine blasse Ahnung von meiner Arbeit.
    Ich schüttelte den Kopf und lächelte ein wenig über meine Verdrossenheit, dann schob ich das Gefühl beiseite und ging durch das Tor zum Bus hinüber, wo mein neues Befragungsteam wartete.
     
     
    3. Dezember
19 Stunden 25 Minuten bis Tagesanbruch
11:55 Uhr
     
    Jodie
    Jodie ging schnell durch das Büro und setzte sich auf die Ecke des Schreibtischs. Michaela fuhr von ihrer Arbeit auf, als täte ihre Freundin das nicht jeden Tag und wäre wie durch Zauberei aus dem Nichts erschienen.
    »Also.« Jodie beugte sich zu ihr und tippte mit dem Stift auf den gelben Block, auf dem sie schon die anderen Bestellungen notiert hatte. »Was willst du essen? Mal was ganz Extravagantes, das einen glatt umhaut.«
    Dies war an jedem Arbeitstag Jodies Mittagspausen-Ritual. Sie brauchte zwanzig Minuten, um zu Theo’s zu gehen, wo sie für die fünf anderen Aushilfssekretärinnen im Büro etwas zum Essen holte, und dann wieder zwanzig Minuten für den Rückweg.
    Sie betrachtete das als Akt der Solidarität mit den Kolleginnen, schließlich saßen sie alle im selben Boot und gaben wie moderne Sklaven den ganzen Vor- und Nachmittag für die Versicherung Rechnungsbeträge ein. Es war eine undankbare Aufgabe, Geldverluste bis in jede Einzelheit für alle Ewigkeit festzuhalten. Die Firma zahlte nicht gern aus, deshalb saßen die Frauen, die diese Daten eingaben, in einem staubigen alten Raum ganz oben im Gebäude – ein schmutziges Geheimnis, das vor den normalen Angestellten, die tatsächlich Geld hereinbrachten, statt nur Belastungen aufzuzeichnen, verborgen wurde. Die Computer des Büros waren uralt, klebrig und voller Kaffeeflecke und abgerissenen alten Etiketten. Die Schreibtische

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