Der 50-50 Killer
Zeit danach getan hatte.
»Lebte Simpson allein?«, fragte ich.
Pete nickte.
»Über Freundinnen wissen wir noch nichts. Wir überprüfen seine früheren Eroberungen anhand seiner E-Mails, soweit es geht.«
»Na gut.« Ich wies mit einer Kopfbewegung auf das Spinnennetz an der Wand. »Was ist damit?«
Pete warf einen Blick darauf, und die Müdigkeit auf seinem Gesicht schien sich zu verstärken. Der Anblick setzte ihm offensichtlich zu, und er wusste nicht recht, was er dazu sagen sollte. Aber durch eine Unterbrechung blieb es ihm erspart. Auf der anderen Seite des Zimmers waren Mercer und Greg bei ihren Beobachtungen an einen Haltepunkt geraten, und Mercer kam zu uns herüber. Ich vergaß die Zeichnung einen Augenblick.
»Mark.« Er lächelte knapp und schüttelte mir die Hand, war aber offensichtlich zu zerstreut, um sein »Ich freue mich, Sie wiederzusehen« ernst zu meinen.
»Ich mich auch.«
Eigentlich, dachte ich, war es eher merkwürdig als erfreulich, ihn wiederzusehen. Als Mercer seine Hand sinken ließ, kam mir in den Sinn, dass ich ihn, außer auf der Rückseite seines Buches, immer nur sitzend oder aus der Ferne gesehen hatte, und mir fiel auf, wie klein er wirkte, als er da leibhaftig vor mir stand. Zum einen war er nur von durchschnittlicher Größe. Zum anderen wirkte er, obwohl seine Statur breit und kräftig gewesen sein mochte, als er noch jünger war, jetzt ein wenig erschöpft und zerknittert, als hätte er zu viel abgenommen, um sein Hemd noch tragen zu können. Er sah viel älter aus, als ich erwartet hatte. Wenn Männer altern, sieht man das nicht so sehr am Gesicht, sondern vielmehr an einer zunehmenden Schwäche des ganzen Körpers. John Mercer schien an diesem Punkt angelangt zu sein, und es war erschreckend. Er war erst Anfang fünfzig, schien aber fünfzehn Jahre mehr auf dem Buckel zu haben, die ihn niederdrückten.
»Sie kennen Greg noch?«, sagte er.
»Klar.«
Ich begrüßte ihn mit einem Nicken. Greg hob die Hand zum Gruß, aber er war vollauf beschäftigt und tief in Gedanken. Er drehte den Bürostuhl mit den Fersen hin und her; wahrscheinlich verletzte er damit irgendeine strenge Tatortregel. Eigentlich wirkten alle zerstreut. Ich war eindeutig über irgendetwas nicht im Bilde und hatte das Gefühl, dass es vor allem mit dem Spinnennetzbild zu tun hatte, das der Mörder an Kevin Simpsons Wand gezeichnet hatte.
»Also«, sagte Mercer. »Wer macht was? Pete hat Ihnen das Wichtigste erklärt, oder?«
»Das Wichtigste, ja.« Ich hielt kurz inne und deutete dann mit dem Kopf auf die Zeichnung. »Aber das da nicht.« Mercer sah hinüber. Es schien fast, als bemerke er das Bild erst jetzt.
»Ah ja«, sagte er. »Wir haben gerade darüber gesprochen, bevor Sie gekommen sind.«
Ich erwartete irgendeine Erklärung, doch es entstand nur ein verlegenes Schweigen, obwohl Mercer selbst keinesfalls beunruhigt schien – er starrte das Spinnennetz lediglich an. Ich beobachtete seinen Blick, der den Linien folgte und hierhin und dorthin wanderte. Es schien, als hypnotisiere es ihn. Dann leuchtete erneut das Blitzlicht auf, und Mercer blinzelte. Er wandte sich wieder mir und dann seiner Uhr zu.
»Okay, also«, sagte er. »Legen wir los. Um zwei ist unsere erste Besprechung, seht also zu, dass ihr bis dahin wieder im Büro seid oder Zugang zu einem Computer habt. Simon, ich brauche so viele kriminaltechnische Ergebnisse wie möglich. Greg, du übernimmst den Computer und die aufgezeichneten Telefonate. Und, Pete, du hast CCL.«
»Jawohl.«
Mercer sah ihn an.
»Du weißt Bescheid?«
Pete hatte die Hände noch in den Taschen und warf seinem Chef einen Blick zu.
»Ja.«
»Also gut. Alle, die wegmüssen, ab mit euch. Mark, warten Sie noch einen Moment.«
Pete und Simon verließen den Raum. Mercer trat ein bisschen näher an mich heran.
»Gehen Sie von Haus zu Haus«, sagte er. »Sie haben drei Männer von der Reserveabteilung. Sie erwarten Sie unten.«
»Alles klar.«
»Wir müssen jedes Haus überprüfen. Schreiben Sie auf, wo niemand zu Hause ist, wir gehen dann später noch mal hin. Zunächst wollen wir allgemeine Auskünfte über Simpson. Informationen über Freunde, Freundinnen. Vorkommnisse auf der Straße.«
Das waren Selbstverständlichkeiten. »Ja, Sir.«
»Geräusche«, fuhr er fort, ohne mich zu beachten. »Irgendwelche früheren Ereignisse, die damit zu tun haben könnten, egal, wie dürftig.«
Als er weiterdozierte, wurde ich allmählich ein wenig gereizt. Nicht so
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