Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
Vom Netzwerk:
war egal, selbst die langweilige Scheißstadt, in der man wohnte, war nicht so schlimm. Von altruistischen Gründen abgesehen, war dies für Jodie das Hauptmotiv, freiwillig in ihrer Mittagspause für die anderen etwas zu essen zu besorgen. Es gab ihr die Gelegenheit, eine gewisse Kontrolle über ihr Leben zu haben, indem sie davor flüchtete.
    Die Musik in ihren Ohren wechselte nach dem Zufallsprinzip zu einem Song, den sie nicht mochte, eine grässliche Ballade, die sich wahrscheinlich aufgrund ihrer Sammlermanie eingeschlichen hatte. Sie klickte auf den Bedienungsknopf und übersprang sie. Jetzt kam ein wuchtigerer Song. Das war besser.
    Aber Zuflucht in ihren Kopf zu nehmen war schwieriger als sonst. Woran sie auch zu denken versuchte, immer wieder kam sie zu Kevin und Scott und zu dem zurück, was sie durch ihr total dämliches Benehmen gestern aufs Spiel gesetzt hatte.
    Jodie übersprang einen weiteren Song. Und dann noch einen.
    Kurz danach erreichte sie, immer noch auf der Suche nach einem Titel, den sie wirklich hören wollte, das brachliegende Grundstück. Von oben gesehen, dachte sie, müsste es wie ein Geschwür in der Landschaft aussehen; blass, zerfurcht und unansehnlich lag es an einer Kreuzung der Hauptverkehrsstraße. Es war zum größten Teil mit altem Kies bedeckt, und hier und da standen ein paar Büsche oder Baumgruppen. Um den Valentinstag herum kam fahrendes Volk mit seinem Jahrmarkt hierher. Den Rest des Jahres parkten viele ihre Autos hier oder kamen mit ihren Hunden her.
    Die Straße verlief um das Grundstück herum, doch es ging schneller, wenn man es einfach überquerte. Scott würde sich Sorgen machen bei dem Gedanken, dass sie jeden Tag da langging, aber selbst wenn niemand in der Nähe war, war man doch noch nahe genug an der Straße, um sich sicher zu fühlen. Und sie fand, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
    Jodie drückte sich um die alte verrostete Schranke herum und ging los. In der Ferne sah sie eine Sozialsiedlung aus quadratischen grauen Häusern, dahinter die Wälder und dann die vom Dunst verwischten Berge. Wie der Rest der Stadt sah auch die Siedlung feucht und eiskalt aus. Auf dem Brachland kam ihr der Tag noch elender vor als vorher. Der Boden sah in der Kälte fahl aus. Hier wehte auch der Wind besonders stark, und die Luft war eisig und schneidend. Die Böen erwischten sie immer wieder überraschend heftig von der Seite.
    Sie hatte das Grundstück auf einem Pfad zwischen alten kahlen Büschen schon halb überquert, als sie es hörte – etwas in der Musik, das nicht dazugehörte. Es war ein Geräusch aus der wirklichen Welt, etwa wie eine Sirene, ein Kranken- oder Polizeiwagen in der Ferne.
    Sie drückte auf Pause. Die Musik verstummte, aber das Geräusch blieb.
    Ein weinendes Baby.
    Jodie blieb stehen, sie war erschrockener, als sie vielleicht hätte sein sollen, und spürte ein Kribbeln im Nacken. Sie sah sich um, doch vor und hinter ihr war niemand. Plötzlich klangen die Autos auf der Straße, als seien sie sehr weit weg, und wo sie stand, waren die einzigen Geräusche das Weinen des Kindes und das unheimliche Nieseln des Regens.
    Es überlief sie eiskalt. Sie glaubte, dass es von rechts kam, hinter den Büschen hervor. Doch es waren keine Erwachsenenstimmen zu hören, die dazu gehörten. Kein Geräusch, nichts regte sich. Nur die Büsche rauschten im Wind, sonst schien das Gelände still und verlassen.
    Der Regen wurde etwas stärker, und jetzt fing das Baby erst richtig an zu schreien. Es war wie das Auslösen eines Alarms, der tief in ihrem Inneren einen Instinkt weckte. Sie fühlte sich von den Büschen förmlich angezogen und machte einen Schritt darauf zu.
    »Hallo?«
    Keine Antwort.
    Jodie blinzelte sich das Wasser aus den Augen und ging noch näher an die Büsche heran. Sie wollte der Sache auf den Grund gehen, aber irgendetwas hielt sie zurück. Was wäre, wenn sie hineinginge und das Baby mit seiner Mutter vorfände? Die Menschen mochten es nicht, wenn man zu neugierig war, das ließ durchblicken, dass man sie für schlechte Eltern hielt. Sie zögerte einen Moment, doch dann wurde das Schreien immer lauter, wie ein Motor, der in den nächsten Gang geschaltet wird, und sie dachte, scheißegal, wenn du da bist, denn du bist eine schlechte Mutter, und fing an, sich zwischen den Büschen durchzuzwängen.
    »Hallo?«, rief sie wieder. »Autsch. Hallo?«
    Immer noch keine Antwort.
    Es war matschig hier, und sie blieb an den stacheligen Zweigen hängen, die

Weitere Kostenlose Bücher