Der 50-50 Killer
vollständige Zusammenfassungen. Die erste betraf die Beobachtungen der Zeugen, die zweite ein psychologisches Profil.
In der ersten wurde der 50/50-Killer auf eine Liste grundsätzlicher Eigenschaften reduziert. Er war weiß, etwas größer als der Durchschnitt, schlank, aber muskulös, ruhig und höflich und konnte sich gut ausdrücken. Er hatte dunkelbraunes Haar. Während seiner Überfälle schien ihm das, was er tat, zwar kein Vergnügen zu bereiten, ihm andererseits aber auch nicht schwerzufallen. Die Folter wurde immer rein mechanisch ausgeführt, ohne jegliche Emotion oder Lust.
Das hätten wir von diesem Mörder nicht erwartet. In solchen Fällen ist das Opfer im Allgemeinen nur das Objekt, an dem eine Phantasievorstellung ausgelebt oder mittels dessen ein Bedürfnis gestillt wird. Aber obwohl sexuelle Übergriffe bei den Verbrechen des 50/50-Killers eine Rolle spielten, schienen sie eher zu seinem Werkzeug zu gehören – eine Möglichkeit, zu terrorisieren und zu verletzen – und nicht als Selbstzweck zu dienen. Er erschien gefasst und nüchtern, wenn er diese Menschen verstümmelte, bevor er sie umbrachte und sie dann liegen ließ, wenn sie tot waren. Wenn das Spiel zu Ende war. Jedes Vergnügen, das die Tat ihm bereiten mochte, hielt er tief unter der Oberfläche verborgen.
Doch wenn man sich an diesen schrecklichen zischenden Laut erinnerte, den er von sich gegeben hatte, war es klar, dass er irgendetwas davon haben musste.
Ich wandte mich daher dem psychologischen Profil zu und war bereit, allen daraus abgeleiteten Rückschlüssen mit beträchtlicher Skepsis zu begegnen. Doch überraschenderweise stieß ich auf mehr Fragezeichen und Vermutungen – die auch klar als solche bezeichnet wurden – als auf irgendetwas anderes. Besonders fiel mir die Scheu auf, sich auf eine genaue pathologische Diagnose des Mörders festzulegen. Warum tat er diesen Menschen das an? Er wandte Folter und Schmerz an, um sie zu zwingen, ihre Partner zu verraten. Was hatte er davon? Bei jeder Spekulation traf ich auf einen Widerspruch. Der Bericht beschränkte sich stattdessen weitgehend auf allgemeinere Annahmen, und ich widmete mich diesen mir vertrauten Dingen.
Er war wahrscheinlich über fünfundzwanzig, weil die raffiniert ausgeführten Verbrechen auf einen älteren, erfahrenen Täter hinwiesen. Sicher war er von überdurchschnittlicher Intelligenz, ließ aber alles vermissen, was ein normaler Mensch für ein Gefühlsleben halten könnte. Die hohen Kosten der Überwachungsgeräte ließen darauf schließen, dass er wahrscheinlich Geld hatte, und er war mobil, aber nicht ständig auf der Durchreise. Ein weißer, niemals näher identifizierter Lieferwagen war in der Nachbarschaft von zweien der Tatorte gesehen worden, und die Ausstattung, die er benutzte, wäre gewiss auch leichter mit einem Kleinbus zu transportieren und von dort aus zu überwachen. Außerdem würde ein geparkter Wagen, den man für den eines Handwerkers halten konnte, wahrscheinlich weniger Verdacht erregen.
Sowohl seine finanzielle Unabhängigkeit als auch sein Alter ließen vermuten, dass er in der Gesellschaft hinreichend zurechtkam und wie Jacob Neils seine wahre Natur mit Erfolg verbarg.
Aber alle Beziehungen, die er unterhielt, waren bestimmt nur eine Fassade. Sein wirkliches Leben spielte sich nachts im Haus anderer Menschen ab, und die Beschäftigung damit musste ihn hinter seiner Maske ständig beanspruchen. Er konnte höchstens flüchtige Freunde und Bekannte haben, die sich wahrscheinlich um ihn sorgten oder sich seinetwegen Gedanken machten. Es wurde angenommen, dass er vielleicht von Waffen fasziniert sein könnte und Bücher über Folter, Polizei- und Militärmethoden besitzen oder gelesen haben könnte.
Und so weiter.
Ich fand nichts, dem ich direkt widersprechen konnte, aber alles war ohne die sonst übliche Überzeugung niedergeschrieben worden. An diesem Mann und seinen Verbrechen war etwas, das jede Art von klarer Aussage ausschloss. Nichts konnte man als selbstverständlich hinnehmen, und vielleicht war der Kern der Sache die Teufelsmaske, die er trug. Niemand wollte es offen sagen, aber die Leichtigkeit, mit der er vorging, die Methoden, die er anwandte, das Blutbad und die Zerstörung, die er hinterließ … na ja, es war albern, aber man konnte nicht umhin, daran zu denken.
Es war der Teufel, hatte Daniel Roseneil gesagt.
Natürlich stimmte das nicht. So etwas gab es nicht. Aber nichtsdestotrotz las sich alles an diesem
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