Der 50-50 Killer
Opferbefragung, die in der elektronischen Akte gespeichert waren. Auf Schwarzweißfilm wie das Hochzeitsbild, doch das war auch die einzige Ähnlichkeit. Auf diesen Bildern war Daniel Roseneils Gesicht voller Quetschungen, und er hielt den Blick gesenkt, seine ganze Körpersprache war eine einzige schmerzgeprägte Abwehrhaltung. Er schaute kein einziges Mal in die Kamera. Das Material erinnerte mich an Videoclips von gefangenen amerikanischen Soldaten im Golfkrieg, die gezwungen wurden, etwas zu sagen, nur war dies hier unendlich viel schlimmer und die Verletzungen ausgedehnter und entstellender. Der Text in der oberen Ecke gab an, dass die Befragung von Detective Andrew Dyson durchgeführt worden war.
Ich setzte die Kopfhörer auf, die zum Monitor gehörten.
Dyson : Daniel, könnten Sie uns sagen, woran Sie sich aus dieser Nacht erinnern?
Daniel Roseneil sah nach links zu Boden. Seine Gesichtszüge waren verschwollen und verheerend zugerichtet. Als er sprach, machten seine Lippen ein schnalzendes Geräusch, als klebten sie ein wenig aneinander.
Rosenei l: Ein Mann war im Schlafzimmer. Ich weiß nicht, wieviel Uhr es war. Ich bin aufgewacht und habe gemerkt, dass er mir ein Messer an die Kehle hielt.
Dyson : Hat er etwas gesagt?
Roseneil : Er hat geflüstert. Ich glaube, er wollte mich beruhigen. Aber ich kann mich nicht genau erinnern, was er gesagt hat.
Dyson: Schon gut. Wissen Sie noch, was als Nächstes passiert ist?
Roseneil: Er hatte Handschellen. Er hat mich gezwungen, sie Julie an Händen und Füßen anzulegen. Dann hat er mir auch welche angelegt.
Dyson: Was hat er dann gemacht?
Keine Antwort. Dyson versuchte es mit einer anderen Frage.
Dyson: Wie hat er ausgesehen?
Roseneil: Es war der Teufel.
Eine Pause.
Dyson: Der Teufel?
Es stellte sich heraus, dass der Eindringling eine rosa Maske getragen hatte, eine Dämonenmaske aus Gummi, mit einem Gummiband hinter dem Kopf befestigt.
Während des ganzen Vorgangs war der Mann ruhig und beherrscht gewesen. Daniel hatte immer wieder auf einen Moment gewartet, wo er etwas tun könnte, um aufzuhalten, was da geschah, aber die Gelegenheit kam nie. Von dem Augenblick an, als Daniel aufwachte, hatte er nur die Wahl zwischen zwei Dingen: mittels Handschellen an die Bettpfosten gekettet zu werden oder sich die Kehle durchschneiden zu lassen. Der Täter machte nicht einen einzigen Fehler.
Roseneil: Ein Spiel. Er hat gesagt, wir würden ein Spiel spielen.
Dyson: Was für ein Spiel? Ist schon gut, Daniel. Lassen Sie sich Zeit.
Roseneil: Ein Spiel, es ging dabei um … Liebe. Er würde einem von uns wehtun. Er hat gesagt … er hat gesagt, ich müsste wählen, wer das sein sollte.
Dyson: Ist ja gut …
Roseneil: Einer von uns müsste sterben, und ich hätte zu wählen, wer. Er hat gesagt, ich könnte mich noch bis zum Morgengrauen anders entscheiden.
Dyson: Können Sie sich erinnern, was danach geschehen ist?
Roseneil: (entschieden) Ich habe mich gewählt!
Von diesem Punkt an wurde seine Erinnerung an das, was geschehen war, zusammenhanglos.
Das war verständlich. Es gab kurze Erinnerungsfetzen und Eindrücke, aber die tatsächliche Erinnerung an Verbrennungen und Schnittverletzungen war zu tief vergraben. Er konnte sich einfach nicht daran erinnern, und jeder Versuch, in diese Richtung weiter vorzustoßen, führte nur zu einer teilweisen Blockade. Er wusste auch nicht mehr, dass Julie gefoltert wurde, noch gab er zu, dass er irgendwann wahrscheinlich seine Entscheidung widerrufen hatte, als der Schmerz am Ende zu schlimm wurde. Wenn ihr Name erwähnt wurde, wandte er sich von der Kamera ab, als ginge schon der Versuch, diese Erinnerung zurückzuholen, zu weit.
Dyson ruderte etwas zurück, und ich fand das richtig.
Sie drehten die Uhr ein wenig weiter zurück. Der Mörder hatte viel mit ihm geredet. Die genauen Worte waren vergessen, doch er wusste noch, dass der Mann ruhig gewesen war, fast freundlich, und sich so benommen hatte, als kenne er das Paar schon seit Jahren. Daniel erinnerte sich, dass er gedacht hatte: Woher weiß er das?, doch er konnte sich nicht mehr erinnern, worum es dabei gegangen war.
Zu alldem wurden Notizen gemacht, denen nachgegangen werden sollte – möglicherweise ein Bekannter? Aber obwohl die anschließende Untersuchung erschöpfend war, schien niemand mit irgendeiner Verbindung zu den Roseneils dazu zu passen. Das Team ging diesem Aspekt hartnäckig nach, kam jedoch nicht weiter. Daniel war seinerseits
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