Der 50-50 Killer
Ex-Frau losgegangen ist, dass sie zu dem Zeitpunkt in ihrem Auto saß? Dass er das Fenster mit einem Hammer eingeschlagen, Amanda aus dem Wagen gezerrt und sie am Straßenrand verprügelt hat?«
»Es macht Ihnen zu viel Spaß, mir das zu erzählen.«
Hunter klang jetzt trotz all seiner spöttischen Bemerkungen wirklich wütend und beachtete sie nicht.
»Und Karli war natürlich dabei. Auf dem Beifahrersitz festgeschnallt. Sein Kind, voller Glasscherben, schreiend, während er seine Mutter neben dem Auto zusammenschlägt. So sehr liebt er seine Tochter, Mrs. Mercer. So viel bedeutet sie ihm.«
Eileen drängte ihre Emotionen zurück und drehte sich um.
»Sonst noch etwas, Detective?«
»Ja. Hat er gesagt, wo er hinwollte?«
»Nein.«
»Überhaupt nichts?«
»Nein.«
»Dann sind wir wohl fertig.« Hunter schaltete das Aufnahmegerät ab und nickte. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich finde allein raus.«
»Ja, tun Sie das.«
Sie sah ihm nach und unterdrückte das Bedürfnis, die Wohnzimmertür hinter ihm zuzuknallen. Sie blieb, wo sie war, horchte, wie die Haustür auf- und zugemacht wurde, und beobachtete dann durch die Stores, wie sein Schatten am Fenster vorbei den Weg hinunterging.
Als er weg war, drehte sie das Hochzeitsfoto auf dem Kaminsims um, auf dem sie und John vor vielen Jahren in einem schwarzweißen Augenblick festgehalten waren. Damals waren sie noch jung gewesen. John war so sehr gealtert, besonders in letzter Zeit. Von dem Mann in dem Bilderrahmen waren nur noch die Augen und etwas von seinem Lächeln übrig. Aber in letzter Zeit lächelte er kaum jemals, und wenn er sie anschaute, schien er geradewegs durch sie hindurchzusehen.
Ich liebe dich auch.
Sehr schnell drehte Eileen sich um und verließ den Raum.
Sie waren Partner, und sie musste stark sein. Er würde schon zurechtkommen, und er würde bald nach Hauss kommen.
Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Und es wäre ja noch schöner, wenn sie vor ihm weinen würde. Nicht einmal vor seinem Foto.
3. Dezember
12 Stunden 5 Minuten bis Tagesanbruch
19:15 Uhr
Mark
Die Kantine war alt und halb stillgelegt, passte also in Stil und Aufmachung zu der Abteilung. Es war ein großer, trostloser Raum voller Nischen mit Resopaltischen, die aussahen, als seien sie direkt aus einer Fernfahrerraststätte geholt und nur sehr flüchtig abgewischt worden. Im hinteren Teil waren in der Dunkelheit die Rollläden heruntergelassen.
Die Glühbirnen an der Decke verursachten ein ständiges dumpfes Summen.
Ich ging an die Theke. Es gab Schmortöpfe mit Curry, das wie schon mal gegessen aussah, und Wurst, die hauptsächlich aus verbrannter Haut zu bestehen schien, deshalb nahm ich trotz meines Hungers lieber die ersten beiden Sandwiches, die ich sah, und ging damit zur Kasse.
»Das macht zwei dreißig.«
»Und noch einen Kaffee, bitte.«
»Zwei achtzig dann.«
Ich tastete geistesabwesend in meiner Tasche nach Kleingeld und dachte noch immer an Mercer und den 50/50-Fall. Die Zeitpunkte der beiden Ereignisse – Dysons Tod und Mercers Nervenzusammenbruch – lagen zu eng beieinander, um Zufall sein zu können. Es war egal, was er in seinem Buch geschrieben oder weggelassen hatte. Schließlich war es nur ein Buch. Ein Schnappschuss von dem, was er der Welt zeigen wollte.
Meiner Meinung nach war diese Verbindung schlüssig: Ich konnte mir kaum vorstellen, wie das gewesen sein musste.
Schlimm genug, die Last einer so schrecklichen Ermittlung zu tragen, den Druck auf beruflicher und privater Ebene zu spüren, dass man diesen Mann davon abhalten musste, noch weitere Menschen zu verletzen – aber dass dann, während man sein Team antrieb, einer aus diesem Team von ihm umgebracht wurde … Herrgott, das wäre für jeden zu viel gewesen.
Daher glaubte ich, ein bisschen besser zu verstehen, was heute los gewesen war: Mercers Entschlossenheit und seine Zerstreutheit, das Unbehagen in seinem Team. Das erschien mir jetzt alles viel klarer.
»Zwei achtzig«, wiederholte das Mädchen an der Theke.
»Entschuldigung.«
Ich gab ihr das Geld und sah dann Pete, Greg und Simon in einer Ecke sitzen. Pete hob die Hand. Ich nickte und ging hinüber. Zugleich glaubte ich, an ihrer Körpersprache zu erkennen, dass gerade ein Gespräch abgewürgt wurde. Ich war wahnsinnig nervös. Nach dem, was ich erfahren hatte, erschienen sie mir mehr denn je wie eine kleine, eigenständige Gruppe. Und obwohl ich zu ihnen gehörte, wusste ich, dass es in
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