Der 50-50 Killer
nichts.
Aber sie sah immer wieder hinaus. Nach einer Weile ging der Mann mit der Teufelsmaske von der anderen Seite her auf das Feuer zu. Er hatte einen Schraubenzieher in der Hand. Ihr Atem stockte.
Er kauerte neben einer der Steinsäulen nieder und begann, die Spitze in den Flammen zu erhitzen. Er drehte sie gelegentlich, während um ihn herum der Schnee fiel.
Etwas an der Spitze fing Feuer und leuchtete kurz auf. Jodie setzte sich wieder hin. Sie konnte es nicht ertragen. Aber sie hatte keine andere Wahl, als es mit anzuhören. Höchstens, wenn sie es wie durch ein Wunder schaffte, ganz abzuschalten.
Schreck nicht davor zurück.
Die Stimme klang nervös und demütig. Nach allem, was geschehen war, schien sie nicht mehr so selbstsicher. Aber sie wiederholte ihre Aufforderung.
Schreck nicht davor zurück. Erinnere dich daran. Nutze es, wenn es darauf ankommt.
Also lauschte Jodie den Schreien ihres Freundes, seinem Weinen; sie knirschte mit den Zähnen und tat ihr Bestes, um das, was sie hörte, zu nutzen und Entschlossenheit in ihrem Herzen aufzubauen. Der Mann, der dies tat, sollte für jede Sekunde bezahlen.
Und egal, was kommen mochte, sie würde nicht zulassen, dass das mit ihr geschah.
Du wirst hier rauskommen. Und wenn du die Gelegenheit hast, wirst du ihm wehtun für das, was er getan hat.
Dann hörten die Geräusche irgendwann auf. Sie hörte nur noch das Feuer. Sie wartete, aber der nächste Schrei kam nicht. Kein leises Gespräch mehr. Kein Weinen. Nur das Knacken und Spucken der Flammen, die sich weiter in das Holz fraßen. Sie hielt den Atem an, zählte langsam bis zehn und dann bis zwanzig. Immer wieder. Nichts.
War Scott tot?
Da begann alles zu verschwimmen. Sie erinnerte sich, wie sie am Morgen mit ihm aufgewacht war, vor einer Ewigkeit. Es erschien ihr unbegreiflich, dass er vielleicht nicht mehr da war. Wenn sie nicht schon gesessen hätte, wäre sie hingefallen. Aber auch so sackte ihr Körper zusammen, wurde schwach, und sie sah wieder die Sterne. Sie war im Begriff, ohnmächtig werden, und wollte es sogar, wollte das Bewusstsein verlieren und dann, wenn das alles vorbei war, aufwachen – oder überhaupt nicht mehr aufwachen.
Pass auf!
Nein. Sie hatte endlich keine Geduld mehr mit der Stimme. Bis jetzt hatte sie alles getan, was sie wollte. Und es hatte ihr so viel geholfen, wie es möglich war. Sie hatte ihre Schlüssel, mit denen sie zuschlagen, ihre Münzen, die sie ihm entgegenschleudern konnte. Sie wusste ungefähr, wo sie war. Sie hatte versucht, ruhig zu bleiben, aber jetzt war Scott tot. Sie wollte nicht mehr auf diese Stimme hören.
Jodie fummelte schwerfällig an der Innentasche ihres Mantels herum und zog die Kopfhörerkabel heraus. Sie würde vielleicht nicht ohnmächtig werden, aber sie würde auf jeden Fall einen anderen Weg finden, die Stimme abzuschalten. Alles eine Weile auszublenden.
Ihre Hände zitterten vor Angst und Kälte.
Zuerst ein Ohr und dann das andere.
Sie drehte den Knopf, schaltete den Player an und wartete, bis die Liste zu hören war. Sekunden vergingen.
Endlich ein Piepsen.
Noch ein Knopfdruck. Leise Musik erklang in ihren Ohren, die gleiche Spur, die sie auf dem leeren Grundstück gehört hatte, es spielte da weiter, wo es aufgehört hatte, und die Lautstärke nahm zu. Immer weiter, sie übertönte das Krachen des Feuers, füllte ihren Kopf und überschwemmte ihre Gedanken.
Sie schloss die Augen und machte ihren Kopf frei von allen Gedanken.
Selbst als sie ein paar Minuten später einen Luftzug an ihrem Gesicht spürte, als die Tür zu ihrer Zelle geöffnet wurde, hielt sie die Augen weiter geschlossen. Sie blockte ab, was er zu ihr sagte, und dachte an überhaupt nichts mehr.
Teil III
Es ist paradox, kommt aber oft vor, dass eine Ermittlung durch Fakten unklarer wird. Je mehr man aufspürt, desto schwieriger wird es manchmal, zu verstehen, wie alles zusammenpasst. Als Leiter eines Teams bekommt man ständig neue Informationen über den Fall, und das Wichtige von dem zu trennen, was im Moment beiseitegelassen werden sollte, ist eine der Fähigkeiten, die am schwierigsten zu erlernen ist. Wenn sich Entwicklungen, oft auch unerwartete, ergeben und die Hinweise sich häufen, kann es ein klassischer Fall von »den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen« sein.
Wenn man Ermittlungen leitet, ist es deshalb gewöhnlich hin und wieder nötig, das Ganze mit Abstand zu betrachten. Obwohl die genauen Fakten – und die Beweise, die sie stützen –
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