Der 50-50 Killer
sich als echt erweisen würde. Aber jetzt hatten wir eine Bestätigung. Nur eine natürlich, und ich wollte mehr. Aber es war eine starke Bekräftigung, dass das hier wirklich unser Mann war, es sei denn, Megan log. Und das glaubte ich nicht.
Ich nahm das Foto wieder an mich.
»Was hat er gemacht, als Sie ihn sahen?«
»Er hat den Wagen abgestellt und saß eine Sekunde da. Dann ist er kurz reingegangen.«
»Wie lang?«
»Nicht lange. Ich war nur kurz am Telefon und hab ihn wieder rauskommen sehen, es kann also nicht lange gewesen sein. Er ist rausgekommen und wieder weggefahren.«
Er musste also zu dem Zeitpunkt das Haus schon geräumt haben. Warum war er zurückgekommen? Sicher war ich nicht, aber ich konnte Vermutungen anstellen. Er war zurückgekehrt, um uns die Teufelsmaske zu hinterlassen.
»Was hat er denn getan?«, erkundigte sich Megan.
»Ich fürchte, darüber kann ich nicht sprechen.«
»Ich meine«, sagte sie, »sollte ich mir Sorgen machen?«
Aber ich gab keine Antwort. Plötzlich war ich vollauf damit beschäftigt, was der 50/50-Killer tatsächlich getan hatte und was hier los war.
Er hatte Kevin Simpson über Nacht festgehalten, ihn gefoltert, dann bei Tagesanbruch getötet und sein typisches Merkmal hinterlassen, doch darüber hinaus war sein Benehmen anders als vorher. Das Spiel hatte sich geändert. Er hatte angerufen und uns die Tonaufnahme hinterlassen. Eine Botschaft war hier für uns hinterlegt worden, wohin wir ihm, wie er vorausgesehen hatte, folgen würden. Und dann der untypische Mangel an Vorsicht: die Tatsache, dass wir jetzt sein Gesicht kannten. Er hatte sich nie zuvor sehen lassen.
Und doch hatte Mercer recht, dass er eine ähnlich intensive Kontrolle ausübte. Er war zum Beispiel hierhergekommen, als schon nach ihm gefahndet wurde. Es war unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, dass wir hier hätten auftauchen und ihn fassen können.
Es schien merkwürdig, dass er in solchen Dingen so genau war, nur um dann den Fehler zu machen, dass er gesehen wurde. Meiner Meinung nach verlieh das Mercers Einschätzung der Situation mehr Gewicht: Unser Mörder war immer noch vorsichtig, aber das, womit er vorsichtig war, hatte sich geändert. Er hat dies alles seit zwei Jahren geplant. Das war in Ordnung, aber wenn er so vorsichtig war, wie er sein wollte, dann hieß das doch, dass es ihm nicht mehr so wichtig war, seine Identität zu verbergen.
Warum?
Megan sah mich neugierig an, und mir wurde klar, dass ich in Gedanken ganz woanders gewesen war und mich einen Moment wie Mercer aufgeführt hatte. Ich sammelte mich und versuchte, ihr eine beruhigende Antwort zu geben.
»Nein«, sagte ich. »Er wird nicht mehr hierher zurückkommen.«
Mehr konnte ich im Moment nicht sagen. Und selbst das glaubte ich, nicht mit Sicherheit zu wissen.
Wieder im Bus, rieb ich mir die Hände und legte sie dann an meine Wangen. Sie waren steif und kalt. Ich konnte in meinen Fingern und im Gesicht nur die Kälte meiner Haut spüren, einen leichten Druck ohne Empfindung. Ich hatte beschlossen, Ross die zwei letzten Befragungen machen zu lassen. Ich musste Megan Cooks Aussage dokumentieren und Mercer die Neuigkeit über das Foto mitteilen.
Ich nahm mein Aufnahmegerät ab und gab es dem zuständigen Techniker im Bus, der die Aufzeichnungen einspielte. Während die Daten übertragen wurden, sah ich, dass sich an der Straßenkreuzung außerhalb der Absperrung die Medienleute versammelt hatten. Kleinbusse und Reportergruppen mit großen unhandlichen Kameras, die sie auf den Schultern balancierten. Einen Augenblick später sah ich, dass Pete, die Hände in die Taschen gesteckt, an dem Absperrband vorbeiging.
Es schneite immer noch heftig, und sein Haar schien patschnass, aber sein Gesicht sah aus, als machten ihm noch andere Dinge zu schaffen als nur das Wetter. Er ließ den Schnee Schnee sein, denn er hatte sich um Wichtigeres zu sorgen. Ich nahm an, dass er schon einige Minuten damit zugebracht hatte, die Reporter anzulügen, was nie Spaß machte. Sie rochen es und warfen es einem ewig vor.
Er ging zu Farmers Haus zurück. Ich sah hinüber. Mercer stand oben auf der Treppe, eine dunkle Gestalt, die am Geländer stand und in die Gegend starrte, weit weg von den abgesperrten Straßen da unten.
Aus der Ferne gesehen und mit dem Rücken zu mir wurde er zu einer Figur, die verschiedene Interpretationen zuließ. Vielleicht war ihm der Schnee gleichgültig, der um ihn herum fiel, dachte ich. Vielleicht war er
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