Der 7. Lehrling (German Edition)
werden.
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Noch vor dem Morgengrauen wurden die Gefangenen unsanft geweckt. Wer nicht ohnehin schon wach war, dem wurde mit rüden Tritten klargemacht, dass es Zeit zum Aufstehen war. Die Gefangenen durften sich nicht waschen. Es gab wieder eine dünne Suppe, aber die war wenigstens warm und vertrieb die Kälte der Nacht ein wenig aus den erschöpften Körpern. Danach wurde in einer Schnelligkeit, die auf harte Ausbildung und lange Erfahrung schließen ließ, das Lager abgebrochen. Die Gefangenen wurden wieder an die Wagen gebunden, und schon setzte sich das Heer wieder in Richtung Nordwesten in Bewegung.
Falk sah zu Medards Vater hinüber, während sie auf dem aufgeweichten Weg neben dem Wagen herstapften: „Ich glaube, sie wollen nach Treer. Das wird ein Gewaltmarsch ...“
Medards Vater nickte müde. Er hatte kaum geschlafen.
Yorks gefährliche Entscheidung
Auch Samuel war bereits auf und verfolgte im Convenium, wie die roten Punkte auf der Karte nach und nach in Bewegung kamen. Der erste Punkt, der an diesem Morgen seinen Weg fortsetzte, gehörte zu York, einem Gesellen ganz weit innen auf der
4-Uhr-Speiche
. Er war einer der Magier, zu denen Amina häufig Kontakt hatte, weil sie so nah an den
Horden
waren.
York war sechsundzwanzig Jahre alt und gelernter Gießer. Zuerst hatte er wie Milan das Schmiedehandwerk gelernt, aber sehr bald entdeckte sein Lehrmeister, dass er sehr viel Talent für das „Kochen“ verschiedener metallischer Legierungen besaß. Neben der Schmiede war auch eine kleine Gießerei, in der York von da an seine Lehre fortsetzte.
York war sicherlich einer der experimentierfreudigsten Lehrlinge, die die Gießerei je gesehen hatte, und das erstreckte sich nicht nur auf Metalle: Auch mit verschiedenen Pulvern, Salzen und sonstigen Substanzen hantierte er in seiner Freizeit. Von Zeit zu Zeit ging leider das eine oder andere Experiment schief, was für gewöhnlich zu solch unerträglichem Gestank führte, dass man Schmiede und Gießerei mehrere Tage lang trotz weit geöffneter Fenster nicht betreten konnte. York war nicht immer die reine Freude für seine Lehrmeister ...
Einmal hatte er Schwefel und ein bestimmtes Salz mit Holzkohle gemischt, um einen bunten Funkenvulkan als Attraktion für das nächste Fest herzustellen. Als er aber einen brennenden Span an das Pulver hielt, gab es eine riesige Stichflamme, die fast die Decke der Gießerei in Brand gesetzt hätte und nebenbei dafür sorgte, dass York sich eine Weile die Haare nicht zu schneiden brauchte. Von da an musste er seine Experimente im Freien weiterführen.
In den letzten Jahren seiner Lehre war die um ein paar Jahre jüngere Meara häufig an seiner Seite zu finden. Sie war fasziniert von den Ideen des jungen Gießers, steuerte aber oft auch eigene Einfälle bei – die manchmal sogar zu einem erfolgreichen Experiment führten. York und Meara verstanden sich gut, und auf ihr Konto ging so mancher Schabernack, der in Filitosa angestellt wurde.
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Yorks Weg hatte ihn nördlich an Balsberg vorbeigeführt. Er wusste von Amina, dass er den
Horden
sehr nah war. Gestern am späten Nachmittag hatte er dann die dunklen Qualmwolken gesehen, die von der geplünderten Stadt aufstiegen. Voller Mitleid und Abscheu hatte er den Rest des Abends darüber nachgedacht, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, diesen Unmenschen irgendwie das Handwerk zu legen. Es machte ihn rasend, praktisch zusehen zu müssen, wie diese dahergelaufenen Fremden die Bürger nach Lust und Laune traktierten, ermordeten, Menschen entführten und damit auch noch ungestraft davonkommen sollten! Allerdings wollte ihm nicht wirklich etwas einfallen, und so war er irgendwann missmutig eingeschlafen.
Mit dem ersten Licht des Tages war York aufgestanden. Heute musste er nach Möglichkeit nahezu unsichtbar bleiben, die
Horden
konnten noch in unmittelbarer Nähe sein.
Auf der Hauptstraße von Balsberg nach Treer stieß er auf die Spuren der Plünderer. Trotz des Regens war leicht zu erkennen, dass die Spuren noch keine sechs Stunden alt waren.
Da kam York eine verwegene Idee. Auch wenn natürlich die Gefahr bestand, dass er dabei in Gefangenschaft geraten könnte – er war einer der ganz wenigen Sucher, die wirklich nahe genug an den fremden Kriegern waren, um wichtige Erkenntnisse liefern zu können. Er musste sie „nur“ überholen, sich gut verstecken und konnte sie dann, wenn sie an ihm vorbeizogen, genau beobachten.
Ein schalkhaftes Grinsen machte
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