Der 7. Lehrling (German Edition)
zu weinen. „Warum? Warum, Finja? Wir haben ihnen doch gar nichts getan!“
Finja schloss Rachel in die Arme und tröstete sie, so gut sie konnte. Gleichzeitig aber hatte sie selbst Angst davor, was aus ihrem eigenen Haus und der Mühle geworden sein mochte. Auch niedergebrannt?
„Hier können wir erst einmal nichts mehr tun, Rachel“, sagte sie zu ihrer Freundin. „Lass uns nachschauen, ob wir vielleicht in unserem Haus noch ein trockenes Plätzchen finden können.“
Rachel blickte auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Du hast recht. Wir kommen später wieder her und schauen, ob noch etwas da ist, was wir gebrauchen können. Und wenn erst die Männer wieder zuhause sind, bauen wir alles wieder auf.“
Finja drückte Rachel die Schulter und nickte.
Hoffentlich!
Der alte und der fast fertige neue Kornspeicher waren ebenfalls ein Opfer der Flammen geworden, aber die Mühle und das Wohnhaus waren zum Glück unversehrt. Im Inneren des Hauses war einiges zerschlagen, aber jetzt hatten die beiden wenigstens ein Dach über dem Kopf. Den Rest würden sie schon irgendwie wieder hinbekommen.
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Korbinian saß zusammen mit den anderen am Tisch und hörte sich erstaunt an, was Amina ihm zu berichten hatte. Nach und nach verfinsterte sich sein Gesicht. Als er gerade tief einatmete, um seinem Ärger Luft zu machen, legte sich Linneas Hand auf die seine.
„Korbinian, kann ich Dich bitte sprechen?“
Korbinian sah sie unwillig an. Kurz angebunden antwortete er: „Ja, bitte. Was ist denn?“
Linnea sprach mit sanfter Stimme, aber festem Blick weiter: „Nicht hier drinnen, lass uns ein Stück spazieren gehen. Der kühle Regen dürfte Dir im Übrigen gerade recht gut tun.“
Amina schluckte. Jetzt würde Korbinian sicher gleich aus der Haut fahren. Er war sowieso schon durch Adinas Bockigkeit kurz vor der Explosion. Aber sie hatte Linneas Macht unterschätzt, denn Korbinian fiel seine bisherige Empörung mit einem Schlag aus dem Blick, und er stand auf.
„Ich bitte um Nachsicht, ehrwürdige Schwester. Du hast recht, ich war eben sehr erregt. Ein paar Schritte sind sicher gerade das Richtige.“ Zu den anderen gewandt fuhr er fort: „Ihr entschuldigt uns bitte.“ Dann bot er Linnea seinen Arm zum Unterhaken an, und unter den erstaunten Blicken der anderen verließen sie gemeinsam die Bibliothek.
Draußen angekommen, wartete Linnea nicht lange. „Mein lieber Korbinian, ich weiß, dass Du im Moment eine große Verantwortung trägst. Und ich kann mir vorstellen, dass es Dich viel Kraft kostet.“ Sie setzten sich unter dem regendichten Dach einer alten Trauerweide auf eine Bank. „Aber Du darfst jetzt nicht ungerecht werden, nur weil Adina da draußen scheinbar die Regeln bricht. Versetz Dich doch bitte einmal in ihre Lage. Wie hart und lieblos erscheinst Du ihr, die doch nichts anderes will, als ein kleines Mädchen, das zudem noch ein Mitglied unserer Gemeinschaft ist, vor dem Verhungern und Verdursten zu retten? Sicherlich, es ist gerade viel zu tun, aber könnte das Problem nicht auch dadurch gelöst werden, dass Adina direkt zurück nach Filitosa kommt und die benachbarten Sucher ihren Teil mit übernehmen?“
Linnea setzte sich gerade hin und sah Korbinian direkt an, so wie sie es vor unendlich langer Zeit schon als seine Lehrerin getan hatte. „Was Adina gerade tut, ist ganz und gar im Sinne unserer Gemeinschaft. Es ist daran nichts, worüber wir wütend sein sollten – ganz im Gegenteil! Sie ist für ihr Alter erstaunlich verantwortungsbewusst, und das ist aller Ehren wert.“ Sie stand auf. „Ich bitte Dich, dies in Deine Entscheidung mit einzubeziehen. Hab Dank für Deine Zeit und Aufmerksamkeit.“
Ohne Korbinians Antwort abzuwarten, verließ die alte Hexe den schützenden Unterstand und ging zum Haupthaus zurück. Dabei lächelte sie das kleine, verschmitzte Lächeln, das schon früher immer über ihr Gesicht gehuscht war, wenn dem jungen Korbinian einmal wieder die Pferde durchgehen wollten und sie ihn ruhig, aber bestimmt wieder auf die richtige Bahn zurücklenken musste.
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Quentin stapfte durch den Matsch. Die vielen Pferde und Fuhrwerke hatten die Straße in etwas verwandelt, was mit einem frisch gepflügten Acker vergleichbar war. Die Hauptstreitmacht gab das Tempo vor, und das war so schnell, dass ihnen kaum genug Luft blieb, um von Zeit zu Zeit ein paar Worte zu wechseln. Dazu kam, dass die Fuhrwerke immer wieder stecken blieben und von den daran
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