Der 7. Lehrling (German Edition)
seiner Stirn.
Bevor ihn die Panik endgültig erfassen konnte, gelang es York mit größter Anstrengung, sich wieder zur Ruhe zu zwingen. Ändern konnte er jetzt auch nichts mehr – und fliehen schon gar nicht! Also gab es nur eine Chance: nicht bewegen und mucksmäuschenstill sein! Vollkommen reglos beobachtete York, wie die Reiter immer näher kamen. Kurz bevor sie die Tanne erreicht hatten, lenkte der vorderste Reiter sein Pferd nach links. Im Abstand von nur wenigen Schritten ritten die Krieger an der Tanne vorbei.
York fiel ein Stein vom Herzen. Er lehnte die Stirn an den Stamm der Tanne, schloss die Augen und atmete tief durch.
#
Hinter der Hauptstreitmacht trotteten Quentin und die anderen neben ihren Fuhrwerken her. Ihre Bewacher hatten richtig schlechte Laune. Kurz nach dem Aufbruch hatte es weiter vorne eine Auseinandersetzung zwischen den Kriegern und ein paar Gefangenen aus Ascheberg gegeben. Quentin hatte nicht genau verstanden worum es ging, aber im Anschluss wurde von Wagen zu Wagen weitergeflüstert, dass die Gefangenen sich eigentlich nur darüber beschwert hatten, dass ihre Fesseln zu eng waren.
Die Krieger machten kurzen Prozess. Als die Gefangenen auf ihre Gesten nicht reagierten, die sie zum Weitergehen bewegen sollten, schlug einer der Bewacher so hart mit seiner Peitsche zu, dass der Ascheberger mit aufgerissenem Umhang und einer blutenden Strieme auf dem Rücken zu Boden fiel. Stöhnend rappelte er sich wieder auf und schleppte sich weiter.
Damit war es den Kriegern aber nicht genug. Offensichtlich wollten sie ein für alle Mal unter Beweis stellen, wer hier das Sagen hatte. Zwei der Krieger banden den Gefangenen los und hielten ihn an seinen Armen fest, während ein dritter mit seinem Pferd herankam und abstieg. Die Gefangenen in der Nähe tuschelten leise. Was sollte das? Wollten die Krieger ihren Mitgefangenen ein Stück hinter dem Pferd herschleifen?
Es kam schlimmer. Der dritte Krieger drehte sein Pferd soweit, dass der Gefangene genau dahinter stand. Anschließend schaute er in die Runde, ob auch alle anderen zuschauten. Unnötig. Alle Blicke waren mit bangen Gedanken auf die Szene gerichtet.
Die beiden Krieger traten ein wenig zur Seite, hielten den Gefangenen aber immer noch mit aller Kraft fest. Bevor ihm schwante, was nun passieren würde, stach der dritte Krieger seinem Pferd mit einem Dorn in die Kruppe.
Das Pferd keilte mit der Hinterhand aus. Von den Hufen mit voller Wucht an der Brust getroffen, flog der Gefangene meterweit durch die Luft und blieb regungslos am Boden liegen.
#
Die Vorhut war weitergezogen, ohne dass sie einen Verdacht geschöpft hatte. Etwa eine Stunde später zog die beeindruckende Hauptstreitmacht an York vorbei. Diesmal musste er keine Angst haben, entdeckt zu werden, alle Krieger ritten auf der Straße und konnten ihn von dort aus nicht sehen.
Kurz danach kamen der Tross mit den Vorräten und dahinter die Gefangenen. Alle waren mit kurzen Stricken rechts und links an die Wagen gebunden. Aus seinem Versteck sah York in müde, eingeschüchterte Gesichter. Er sah auch, dass die Gerüchte, die Amina ihm übermittelt hatte, der Wahrheit entsprachen: Es waren ausnahmslos Handwerker, vom Meister bis zum Lehrling, das konnte er an ihrer Kleidung erkennen. Ihr Zustand war besorgniserregend. Die vordersten Gefangenen schleppten sich nur mühsam voran, und es war offenkundig, dass sie nicht genug zu essen bekamen.
Dann sah York einen Gefangenen, der auf einem Wagen lag. Sein Hemd war blutgetränkt, er stöhnte bei jeder Bewegung des Wagens laut auf. Die Mitgefangenen sprachen pausenlos beruhigend auf ihn ein, aber sie konnten ihm nicht helfen, weil ihre Hände an den Wagen gefesselt waren. In York stieg langsam die Wut hoch. Wie konnte man nur so grausam sein?
Die Handwerker wurden von fünfzehn Reitern bewacht, die ständig neben ihnen auf- und abpatrouillierten.
Plötzlich war es York, als ob er einen der Gefangenen kennen würde. Er suchte in den Gesichtern, aber er konnte keinen Bekannten entdecken. Trotzdem ließ ihn das Gefühl nicht los. Verwirrt schaute York die Gefangenen immer wieder an, forschte nach irgendeinem bekannten Anzeichen – vergeblich. Erst als der letzte Wagen an ihm vorbeigezogen war, wurde der Eindruck langsam schwächer.
Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Unter den Gefangenen war ein Magier!
#
Quentin war es auf einmal ganz komisch in der Magengegend. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu
Weitere Kostenlose Bücher